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Kilian Zaue oberkörperfrei beim Training der DFB-Auswahl in Gifhorn, Sommer 2009 |
Naja, ich und mein Bruder haben uns deshalb sehr früh viel zu zweit miteinander beschäftigt. Marven hat sich, das muss ich wirklich sagen, ganz rührend um mich gekümmert. Ach so ... vielleicht sollte ich noch ein paar Worte zu unserer Mama verlieren. Ist ja eigentlich nicht der Normalzustand, dass man keine Mutter hat. Sie hat uns verlassen, als wir ganz klein waren. Mein Bruder war drei und ich eins. Sie konnte mit Kindern nichts anfangen. Drei Jahre hatte sie uns ertragen, dann ist sie gegangen. Mein Bruder kann sich gut an den letzten Tag, als sie da war, erinnern. Er wollte gerade etwas mit ihr und mir spielen, schwupp, da war sie aus der Tür. Vom Balkon aus hatte er ihr noch nachgeschaut, dann war sie weg, für immer. Sie hatte wohl zu unserem Vater gesagt, er solle sich um uns kümmern, sie wolle gehen. Er hat das vermutlich nicht mitbekommen, so vor dem Fernseher sitzend, bewegungslos, Urbräu trinkend. Naja, ab da war sie fort, irgendwo, keine Ahnung wo. Sie hat sich jedenfalls nie wieder gemeldet. Auch bei der Beerdigung von meinem Vater war sie nicht da. Tja, so ist das gewesen mit „Mama“ und „Papa“.
Da ich die Stimmung jetzt nicht gänzlich runterziehen will, erzähle ich lieber wieder vom Fußball, der Leidenschaft von mir und Marven. Weil wir also wie gesagt keine elterliche Führung hatten, haben wir uns zusammengerauft und sind zusammen zum Fußballverein BC TuS Rot-Weiß, der hier gleich um die Ecke ist, gegangen, und haben uns angemeldet bzw. erst mal gefragt, ob wir mitspielen könnten. Angemeldet wurden wir offiziell erst nach drei Monaten oder so. Wir waren damals sieben und neun. Fußball war das Einzige, was wir irgendwie gerne gemacht haben. Mein Bruder wurde sofort vom Trainer ins Mittelfeld gestellt, ich wurde ins Tor einsortiert. Unsere Positionen sollten wir nie wieder wechseln. Gut, Marven war zuerst eher offensiv und später defensiv ausgerichtet, aber am Mittelfeld hat sich nichts geändert. Und ich stand bis vor einem Jahr, als ich meine Karriere beendet habe, im Tor. 652 Spiele lang. Bei allen Vereinen.
Wir haben uns schnell als talentierte Spieler herausgestellt. Wir waren integriert und hatten auch den Respekt von den anderen, selbst von denen, die über uns gespielt haben ... Tja, und dann kamen die Spitznamen. Ach Mensch, die Spitznamen. Die beschäftigen mich bis heute. Meinen Bruder haben sie ganz früh nachdem wir dort angefangen hatten „Der Fuß“ genannt. So. Was soll das? Wieso Fuß? Hat nicht jeder Fußballer einen Fuß? Das ist doch kein ordentlicher Spitzname. Ist der Sinn von Spitznamen nicht der, dass man damit auf eine spezielle Eigenschaft hinweist? Z.B. „Eisenkopf“, wenn einer kopfballstark ist oder halt sowas wie „Wiesel“, wenn einer super dribbeln kann und sich an den Gegnern so „vorbeiwieselt“. Aber „der Fuß“? Vielleicht verstehe ich das einfach nicht, aber ihr könnt mir glauben, ich habe Ewigkeiten damit verbracht, darüber nachzudenken und einen Sinn darin zu finden. Selbst auf Nachfrage bei denen, die ihn so gerufen haben, hieß es immer nur lachend, er sei halt „der Fuß“. Das „passt halt irgendwie“, haben sie gesagt. Irgendwann bin ich mal während eines Spiels ausgeflippt, weil mich das so genervt hatte. Dafür wurde ich dann gleich vom Platz gestellt. Ich finde das auch nach wie vor bescheuert. Das ist so, als würde man den Stürmer „Stürmer“ nennen. Oder den Rechtsaußen „Rechtsaußen“. Oder einen Fußballer einfach nur „Fußballer“. Das ist alles ohne Sinn. „Hey, ‚Fußballer‘, spiel ab! ‚Fußballer‘, komm schon. Hintermann, ‚Fußballer‘, Hintermann.“ Aber gut, ich werde mich dazu hier nicht mehr äußern, denn wenn meine alten Kollegen das hier lesen, werden sie sich sicher wieder darüber beömmeln, dass mich das heute noch fuchst ... so, und jetzt ratet mal, wie sie mich genannt haben ... mir haben sie den „tollen“ Spitznamen „der Zaun“ gegeben. Ich fand diesen Namen von Anfang an beschissen. „Der Zaun“, wie klingt das denn bitte? Ein Zaun ist dünn und klapprig. Ein Zaun ist im Gegensatz zu einer Mauer, wie mich meine Kollegen nach meinem Geschmack lieber hätten nennen sollen, auch eigentlich kein Gegenstand, der Widerstand leisten soll, sondern Räume voneinander trennt. Umzäunung, damit kann man die Grenzen eines Grundstücks ziehen. Gartenzaun, damit sind Schrebergärten voneinander getrennt. Alles mit „Zaun“ im Namen ist uncool. Sie hätten mich „der Wall“ nennen können, wenn schon nicht „Mauer“, aber „Zaun“? Die „Tür“ wäre auch nicht sehr eindrucksvoll gewesen, die kann man bei Besitz des Schlüssels aufschließen und zuschließen. Trifft das auf einen Torwart zu? Oder „die Wand“? Das klingt schon besser, das klingt zwar auch, als könnte sie aus Pappe sein, aber immerhin verstellt sie einem den Blick und man weiß nicht mehr, wo man hin schießen soll. Wobei das auch wieder nicht passt. Ich meine, der Torwart steht im Tor, da ist nichts komplett verdeckt. Naja, gleiches gilt wohl für „Sichtschutz“, „Vorhang“ und „Raumtrenner“, wobei das auch wirklich nicht gut klingt, wenn man das über den Platz ruft. Das klingt eher, als würde im Möbelgeschäft ein Verkäufer über Produkte informieren. Ähnliches lässt sich auch über „Jalousie“ sagen. Stadionsprecher: „Zaue die ‚Jalousie‘ hängt wie eine eins im Tor“ ... das klingt scheiße. Mauer klingt da schon etwas besser: „Zaue die ‚Mauer‘ steht wie eine eins im Tor“ ... hmm. Ich bin trotzdem unzufrieden. Vielleicht sollte man generell von Spitznamen im Fußball absehen, weil das nie zu 100% passt. Komplett passend ist halt letztlich nur der tatsächliche Name der Person. Jede Metapher, jede Übertragung eines Bildes aus einem fremden Kontext hat irgendwo „Abrieb“, wenn ihr versteht, was ich meine ... hmm ... schwierig, schwierig. Nee, man sollte das doch beibehalten. Das macht viel vom ruppigen Charme des deutschen Fußballs aus. Vielleicht könnte man das alles aber ein bisschen besser durchdenken ... uff, jetzt habe ich mich hier aber verplappert.
Also, long story short: Nach den Amateurstationen beim BC TuS Rot-Weiß kamen dann die C-Jugend (wo mein Bruder wie gesagt Endstation hatte), die B und die A. Dann U 16, U 17, U 18, U 21 und schließlich Nationalkader. Mein Bruder wurde Metzgermeister und ich habe bis 34 als Profi gespielt, nach Stationen in England und Italien zuletzt im Vogtland, wieder beim BC TuS Rot-Weiß. Was ich jetzt machen werde, weiß ich nicht, ich habe nie einen richtigen Beruf gelernt. Vielleicht steige ich bei meinem Bruder in der Metzgerei ein, der braucht gerade einen Mitarbeiter, und ehrlich gesagt habe ich auch gar keine Probleme damit, Kühe und Schweine mit einem Bolzenschussgerät ins Jenseits zu befördern.
Kommentare
Sag mal, arbeitet bei euch ein gewisser Christoph Teusche? Bin auf der Suche nach dem, kenne den noch aus meiner Essener Zeit und habe das Gefühl, dass ich hier fündig werden könnte.
Ich finde auch, Kilian ist so ein typischer Fußballer-Name. Ich werde mein Kind auch Kilian nennen. Hoffentlich wird es ein Junge, dann passt der Name besser ...
Mit lieben Grüßen
Fisch Fasch
2. Was wollen Sie mir sagen?
Grüße
Fasch
@Longboard: Wo bist du? Hatte dich auch ausgesetzt, also bleib einfach, wo du bist. Lol Spaß, ich komm vorbei. Man man man, du dumme Katze. Papa holt dich jetzt.
@Ali: Was ist ihr Problen? Ist der Koran nich die Religion von der Liebe? Also sei lieb!
@Charlly: Mensch, du läßt dich aber leicht verschrecken! Wir können dich heute abend ins"Vapiano" gehen, was meinst du?
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