„Was machst du da? Bestellst du
dir eine Uhr?“
„Jo.“
„Du bist jetzt also auch im
Uhren-Game unterwegs?“
„Wenn du das so nennen willst, ja.“
„Und was für eine Uhr ist das?
Sieht vintage aus.“
„Kann man so sagen. Ich suche eine
aus dem Zeitraum von 1940 bis 1960 etwa.“
„Cool. Ich finde Uhren aus der
Zeit auch sehr schick.“
„Wie die aussehen, ist mir
eigentlich egal. Ich will nur das Radium vom Zifferblatt haben.“
„Ähh ... okay. Und warum?“
„Ich will eine Atombombe bauen.“
„Ähhhhhh…“
„Aus Abschreckungsgründen. Ein
paar Nachbarn von mir haben sich ziemlich daneben benommen. Ich möchte einfach
was besitzen, womit ich ihnen drohen kann. Ich will die auch nicht einsetzen,
aber zur Abschreckung halt.“
„Du willst deinen Nachbarn also mit
totaler Auslöschung drohen?“
„Genau dafür ist eine Atombombe
da. Also ja.“
„Bist du total bekloppt?“
„Nein.“
„Aber das ist total unmenschlich!“
„Ich hoffe einfach, dass sich
meine Nachbarn zukünftig angemessen verhalten mir gegenüber. Ich hatte temporär
schon einen Säbel über der Wohnungstür hängen, also im Treppenhaus, aber das
hat an Drohung nicht ausgereicht.“
„Was machen deine Nachbarn denn so
Schlimmes?“
„Neulich hat einer meiner Nachbarn
… nennen wir ihn mal … äähh … Doktor Schiwago … also der hat zu mir runtergebrüllt,
als ich im Treppenhaus heiter eine Melodie gepfiffen hab. Was soll sowas denn?“
„Ich habe auch unfreundliche
Nachbarn, ich käme aber nicht auf die Idee, sowas Irres zu machen wie du … was
grinst du mich so an? Ach so, das ist alles nur ein Scherz und ich bin drauf
reingefallen. Ich bin echt ein Depp!“
Wario stand auf, ging in ein anderes Zimmer und kam mit einer prall gefüllten Baumwolltasche des örtlichen Discounters wieder. Den Inhalt, etwa 300 Armbanduhren, kippte er auf den Esstisch.
„What the Fuck! Das sind ja extrem viele Uhren.“
„Korrekt. Da klebt das ganze Radium
auf den Zifferblättern, das ich anreichern werde.“
„Du bist ja wirklich krank. Du
hast dir tatsächlich so viele Uhren besorgt? Das ist doch arschteuer. Wie hast
du das bezahlt?“
„Naja, ich verdiene im Schuhladen
ja ganz gut.“
„Und wieviel hast du dafür
bezahlt?
„Tja, so ca. … lass mich mal
rechnen … so 12.000 Euro bisher. So round about.“
„Du bist bist doch nicht mehr ganz
sauber! Du solltest übrigens mal ins Internet schauen, weil mit Radium kann man
keine Atombombe bauen, dafür braucht man Uran oder Plutonium, es geht nämlich
um die Größe des Atoms und ihre Spaltbarkeit und nicht um Radioaktivität.“
„Ach was, red' nicht!“
„Doch! Mit Radium kannst du keine
Atombombe bauen, du Freak.“
„Jaja, laber ruhig. Ich reicher
das Radium an und dann können meine Nachbarn mal schauen, wer am längeren Hebel
sitzt. Sollen die doch eigene Atombomben bauen.“
„Aha. Und wie willst du das ganze
Radium von den Zifferblättern runterkriegen, ohne dich und Laraja zu vergiften?
Das ist ja saugefährlich mit dem Zeug.“
„Ja, das weiß ich. Ich hab mir
neulich im Baumarkt Chemie-Handschuhe gekauft und als Atemschutz hab ich noch
ein paar FFP2-Masken, die hier seit Corona rumfliegen in der Wohnung.
Zusätzlich hab ich noch nen Raumlüfter besorgt. Und nen Geigerzähler von Amazon.“
„Hmm…“
„ Mir geht’s ja hier um meine Verteidigung. Am Ende
verteidige ich übrigens auch dich damit.“
„Inwiefern verteidigst du mich
damit?“
„Naja, vielleicht sind meine
Nachbarn ja auch mal scheiße zu dir. Jetzt, wo sie dich gesehen haben bei mir,
wissen sie ja, dass du mich kennst. Also finden sie dich sicher auch scheiße.“
„Na toll!“
Wario nahm eine der alten Uhren in die Hand und liebkoste sie. Sie hatte besonders viel gelblich-grüne Leuchtmasse auf den Ziffern. „O du wunderschönes Radium“, sagte er.
„Wario, hör auf, die Uhr
anzuschmachten!“
„Nö.“
„Okay, ich gehe.“
Gounther verschwand geräuschlos aus der Wohnung.
Zwei Wochen sollten vergehen, bis Gounther Wario wieder besuchte. An der Haustür fiel ihm auf, dass das Klingelschild seines Freunds das einzige war, dass im schummrigen Spätnachmittagslicht grün leuchtete. Gounther wollte es eigentlich gar nicht anfassen, da er wusste, dass es voll mit Radiumfarbe war. So tippte er nur ein Mal kurz drauf. Die Tür surrte und er kam das Treppenhaus herauf.
Gounther ließ sich umarmen, umarmte aber nicht zurück.
„Wario, was hast du denn da an?“
Wario trug einen gelben Einteiler aus Kunststoff und beige Moonboots.
„Das ist mein selbst zusammengestelltes Antistrahlen-Outfit. Aber keine Sorge, jetzt grad ist das gar nicht notwendig, ich hab das nur an, weil das so weich ist.“
Wario machte eine Kuschelbewegung.
Gounther sagte nichts und ging ins Wohnzimmer.
„So, Gounther. Hier hat sich so einiges verändert, seit du das letzte Mal da warst. Ich habe kurz nach unserem letzten Treffen mit dem Ablösen der Radium-Farbe angefangen und dann mit dem Anreichern begonnen.“
Unter der Fensterbank standen drei verschlossene Metalleimer mit aufgeklebten Radioaktivitätssymbolen und verschiedenen Aufschriften. Auf dem linken, roten Eimer stand „Fertig angereichertes Radium“, auf dem mittleren grünen Eimer stand „Halbangereichertes Radium“ und auf dem rechten schwarzen und mit Abstand größten Eimer stand „eventuell radioaktiv kontaminierte Uhrenteile“
Gounther setzte sich auf die Couch.
„Du, willst du nen Tee?“, fragte Wario ihn.
„Nee, lass ma. Du machst also
ernst mit deiner Atombombe, ja?“
„Na klar! Ich mach keine halben
Sachen, du kennst mich.“
„Und ist das hier jetzt sicher für
mich oder krieg ich morgen Krebs von deinem ganzen Radium-Angereicher hier?“
„Keine Sorge, das ist alles okay,
ich messe ständig die Becquerel in der Wohnung, alles im grünen Bereich. Aber
ich weiß, du wirst sicher sagen, dass das trotzdem nicht sicher ist. Vielleicht
kann Clark dich überzeugen.“
„Wer ist Clark?“
„Clark R. Crudden, er ist grad auf
Klo. Er ist heute da, um meine Wohnung zu untersuchen. Clark ist Atomingenieur
von der IAEA, der Internationalen Atomenergie-Organisation. Also wirklich einer,
der Ahnung hat.“
„Du verarschst mich.“
„Du wirst ihn ja gleich
kennenlernen.“
Aus der Toilette konnte man ein Spülgeräusch hören, dann öffnete sich die Tür und ein 2 Meter großer, mittelblonder Mann trat heraus.
“Wario, your bathroom is a very small. But no problem, I work with atoms, so I know how small things work.”
Clark lachte laut auf, als er das sagte.
“Oh, is that Gounther? Your friend who was supposed to come
later? Hi, I’m Clark R. Crudden, I work for the IAEA, where I am a nuclear
weapons investigator. Nice to meet you.”
Gounther stand auf und gab Clark die Hand. Clark holte sogleich einen laminierten Ausweis aus seiner Gesäßtasche und drückte sie Gounther in die Hand.
„Many people don't believe that I actually work for the IAEA, especially
when I inspect nuclear weapons in private homes”, sagte Clark.
„Nein … nein, Herr Crudden … ähh no, no Mr. Crudden, I believe you that
you work for the IAEA.”
Gounther und Clark setzten sich, Wario kochte derweil in der Küche Wasser, um Tee für sich und Clark zu machen. Gounther wollte keinen.
“I didn't even know that the IAEA comes to private individuals' homes and checks their nuclear bombs”, sagte Gounther.
“Unfortunately, very few people know this. Yet we have been doing this for 50 years. In the 1970s when the Cold War had calmed down and fewer and fewer nuclear weapons were being built we had to control fewer and fewer state weapons. That's when we started inspecting private nuclear bombs as well. Today, you can simply fill out an online form on our website, make an appointment with us and then one of our nuclear weapons experts will come and inspect the nuclear bombs in your home in person.”
Gounther war schlicht baff. „I even didn’t know that. Very interesting.”
“We inspect the bombs and we also accompany private individuals when they make a bomb. As you can imagine, there are a lot of bureaucratic things you have to consider when you store a nuclear bomb. Our friend Wario here, for example, didn't store the radium properly at first, so I brought him a brochure on the subject of "Storage of nuclear hazardous materials" so that he could do better in future. And he has already improved a lot since my last visit.”
Gounther schaute zu den Radiumbehältern und nickte. „And you come from the USA? Or where is the IAEA located?”
Wario brachte zwei Tassen Tee, eine stellte er an seinen Platz, eine gab er Clark in die Hand.
“And how is this whole program to test private nukes funded?”, fragte Gounther.
“We receive various subsidies, initially from the UN of course, but then
also from the European Union. But of course the owners of nuclear weapons also
have to pay for us to provide our expertise and services.”
“And is it expensive to have a private nuclear bomb?”, fragte Gounther.
“Well, let me put it this way, it's not cheap.”
„Ich kann das bestätigen“, sagte Wario
gequält grinsend schauend. „Ich könnte mir von dem Geld auch einen VW Golf
kaufen.“
„Uffff“, sagte Gounther.
“Wario and Gounther, unfortunately I have to go now. And Wario, don't
forget to send me pictures of the radium enrichment buckets every day via the app.”
Clark nahm den noch beinahe
kochend heißen Tee und kippte ihn in einem Schwung seinen Rachen hinunter. Gounther war entsetzt und sprang
auf. „What are you doing? The
tea is extremely hot. Wario, hol schnell was aus der Küche zum kühlen.
Kaltes Wasser, Eis, irgendwas!“
“Don't worry, Gounther, I'm fine. After 25 years of working with nuclear
materials, you're hardened. That doesn't bother me at all.”
“Really?”
“Yes yes, it's really no problem”
Gounther und Wario verabschiedeten sich auf der Couch sitzend.
„Clark ist wirklich super, oder?
Nicht nur ein Experte, sondern auch menschlich … also ein ganz feiner Typ
ist das, find ich.“
„Ja, er ist nett. Aber ich kann
das echt nicht glauben, dass man sich einfach per Online-Fragebogen einen
Kernwaffen-Experten von der IAEA nach Hause holt.“
„Komm mal im 21. Jahrhundert an, Gounther.
Ich hab die App, da ist jetzt alles in meiner Wallet.“
„Aber mal im Ernst, wie kann das
sein, dass man einfach zuhause eine Atombombe baut und man da von der IAEA betreut
wird?“
„Das ist doch super. Da macht man
dann auch alles richtig dabei und so werden die Risiken gering gehalten. Bei
mir hat alles wunderbar geklappt bisher.“
„Aber eine Atombombe zuhause ist per se arschgefährlich!! Und außerdem hat sich an dem Fakt, dass man aus Radium
keine Atombombe kann, auch nichts geändert. Was du vor hast, funktioniert
nicht. Und wenn es doch funktionieren würde, wäre es total irre!“
Wario lächelte und schüttelte seinen Kopf.
Gounther stand auf, schaute sich nochmal die radioaktiven Behältnisse an und ging dann zur Tür.
„Wario, ich glaub, ich gehe jetzt. Dieser Atombombenscheiß ist mir einfach zu viel.“ Er dachte kurz nach und sagte dann, voller Inbrunst: „Hiroshima, Fukushima, Tschernobyl – was zu viel ist, ist zu viel!“
Danach verließ er die Wohnung
Wario saß auf der Couch, betrachtete seine Anreicherungseimer und sagte leise „Radium gut“.
Kommentare
1. Ich bin nicht der Gert Fröbe. Was sie sich auch selber denken könnten. Der Gert Fröbe wäre inzwischen ca. 130 Jahre alt.
2. Wie soll das funktionieren mit dem Autogramm? Wir schreiben hierzu in einem Chat, ich müsste Ihnen das per Post schicken, habe ihre Adresse nicht, sie haben meine Bankverbindung nicht etc.
3. Ich hasse meine Eltern.
Welche Drinks haben wir bei der Rollschuhdisko bestellt?
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