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Manchmal war's so

Die Nachmittagssonne schien in den Raum. Der alte Großvater saß mit seiner Tochter und seinen Enkeln am Tisch.

 „Daniela, weißt du noch, wie die Frau Blähiger damals so eine Tochter hatte?“

„Ja, natürlich.“

„Die ist ja dann weggegangen … nach Australien glaube ich, die hat dann irgendwas mit Pharmazie oder so studiert, auf jeden Fall ist die dann wiedergekommen. Jetzt arbeitet die ja in so einer Apotheke am Papierplatz.“

„Ich weiß, ich bin da manchmal.“

„Ach so.“

„Das habe ich dir aber auch schon erzählt.“

„Also wenn man schon alt ist, kann man sich halt nicht alles merken. Ich bin da nämlich neulich vorbeigegangen und habe die da drinnen gesehen und dann bin ich ganz schnell weggegangen, weil die mich ja kennt.“

„Und warum?“

„Mit ihren Eltern sind wir ja früher öfter weggefahren, man kennt sich halt. Aber wenn ich da rein gegangen wäre, dann hätte die bestimmt so Sachen gefragt, das wollte ich nicht.“

„Hast du eigentlich den Kuchen selber gemacht?“

„Na aber! Du weißt doch, dass ich den selber mache. Seit 50 Jahren mache ich den Kuchen!“

„Kann aber doch sein, dass du den jetzt mal gekauft hast.“

 Der alte Mann schüttelte seinen Kopf

 „Übrigens, der Karl-Heinz hat angerufen.“

„Welcher Karl-Heinz?“

„Na Karl-Heinz Löscher, der früher mit mir in der Firma gearbeitet hat. Der, wo die Frau vor 20 Jahren einen Schlag hatte und gestorben ist.

„Papa, ich kenne die nicht.“

„Doch, die kennst du, die hatten ganz früher so einen Hund, den sie immer „Karlchen“ genannt haben. Der dann eines Tages weg war.“

„Papa, ich wurde 1967 geboren, du erzählst von Dingen, die in den 50ern waren, wie soll die denn kennen?“

 Der alte Mann blickte leer in die Gegend

 „Auf jeden Fall hat der angerufen und mich gefragt, ob er mich mal besuchen soll.“

„Ach, das ist aber nett.“

„Hiiiii, ich habe natürlich Nein! Gesagt.“

„Warum denn?“

„Dann hätte ich das ganze Haus putzen müssen und dann hätten die irgendwas mitgebracht, dann hätte ich mich bedanken müssen. Ich bin doch schon alt!“

„Aber Papa, was ist denn so schlimm daran? Außerdem putze ich doch das Haus.“

„Also auf jeden Fall kommt der jetzt nicht.“

„Das ist doch schade.“

„Naja …“

 Der Großvater nahm ein großes Stück Kuchen und aß es langsam auf.

 

  Von Esamuel Tadá (*1980)

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