Michael erwachte
in einem Bett. Es war richtig gemütlich. So gut hatte er schon
gefühlte Ewigkeiten nicht mehr geschlafen. Das lag wohl am leichten
Schaukeln. Offenbar befand er sich an Bord eines Schiffes.
Es klopfte an der
Tür. Kurz darauf schloß jemand die Tür auf und kam herein.
„Herein!“,
sagte Michael. „Entschuldige, ich habe vergessen, daß du ja unser
Gefangener bist“, erklärte ein sichtlich kleinlauter Soldat.
Erstaunt stellte Michael fest, daß es einer der Männer vom
Schlauchboot war.
„Wieso bin ich
ein Gefangener? Weshalb haben Sie andere Sachen an als gestern? Und
warum sind wir immer noch auf See?“
„Wieso, weshalb,
warum – wer nicht fragt, bleibt dumm“, rezitierte sein Gegenüber
die Sesamstraße.
„OK, Sie wollen
nicht reden, Freundchen? Dann drehen wir den Spieß mal um!“, sagte
Michael mit komisch verstellter Stimme, so als sei er in einem
US-Fernsehkrimi der Ermittler. Das ließ den anderen jedoch kalt.
Michael probierte es jetzt in Kleinkind-Manier. „Du? Was war'n in
der großen Kiste drin, die ihr gestern getragen habt? War das ein
Schatz?“
Die Gesichtszüge
des anderen erstarrten für den Bruchteil einer Sekunde, doch dann
lehnte er sich bewußt lässig an die Tür, die jedoch offen war und
nachgab, so daß er beinahe hinfiel. „Was in der Kiste war oder
nicht, wird nicht diskutiert!“
„Aber ihr habt's
mir versprochen!“ Michael lickte ihn mit Hundeaugen an. „Bütte!“
„Hach … Na
gut. Also … Ich und die anderen, die du da gesehen hast, wir sind
eigentlich … so 'ne Art Schatzjäger. Wir suchen einen Nazischatz,
den Hermann Göring in einer Nacht- und Nebelaktion nach England
bringen ließ. Das Flugzeug stürzte ab und fiel ins Meer. Da die
Stelle nicht sehr tief war, ragte es knapp aus dem Wasser. Mit der
Zeit sammelte sich Sand um das Flugzeug herum, Algen bewuchsen es, es
wurde ein beliebter Möwen-Treffpunkt. Na, wie dem auch sei:
Jedenfalls erfuhren wir davon durch einen privaten Auftraggeber, der
uns bat, gegen großzügiges Honorar den Schatz zu bergen.“
„Aber weshalb
die blutverschmierten Stiefel?“ Michael hatte inzwischen wieder
seine Erwachsenen-Stimme.
„Wir töten
manchmal unschuldige Tiere.“
„Ach so … Tja
… Und wer hat mich niedergeschlagen?“
„Das war Mathis.
Er ist durchgedreht. Kurz bevor wir die Insel erreichten, auf der du
saßest, erhielten wir einen Anruf ...“
„Was für einen
Anruf?“
Plötzlich wich
das verträumte, redselige Gesicht des Soldaten, der übrigens Markus
hieß und kein Soldat war, einer strengen Miene. „Komm mit!“,
befahl er.
Bernd und Luca
saßen im „Erna's“, einer Hafenkneipe, in der man auch ganz gut
frühstücken konnte. Luca hatte Bernd überredet, das zu tun, damit
er auf andere Gedanken kam. „Du kannst doch jetzt eh nichts machen.
Wenn er tot ist, ist er tot, also er ist natürlich nicht tot ...“
Er hatte das Reden schnell sein gelassen und war mit ihm aufs
Festland gefahren. Ständig blickte Bernd auf sein Mobiltelefon, ein
stattliches Gerät aus den später 90er Jahren, und sah, ob jemand
angerufen hatte. Wenn man auf die Tasten drückte, dann ertönte ein
lustiger Dreiklang, der sich von Taste zu Taste ein wenig
unterschied. So konnte man einfallsreiche, aber langweilige Melodien
bilden, was Bernd jetzt tat, um seine Nervosität zu überbrücken.
Neben ihnen am
Tresen lag ein Mann mit blau-weiß geringelter Mütze mit dem Kopf
auf dem Tresen. Neben seinem Hocker standen zwei große Tüten von
ALDI. Er roch aus allen Poren nach Klarem. Erna hatte ihn nicht
rauszuwerfen können, nachdem er hier eingeschlafen war. Jetzt wachte
er auf und sah verstört zu den beiden rüber. „Eeh, du da, höä
mä aouf!“, sagte er vernuschelt an Bernd gerichtet. Der erschrak
und legte da Telefon beiseite. Erna brachte frischen Kaffee. „Füä
mi' aou' ain'!“, merkte der Trunkene an.
Schweigend tranken
sie ihren Kaffee.
„Hm, lecker, der
Schinken!“, meinte Luca. „Hmm … “, meinte Bernd
geistesabwesend. Er aß eine Stulle ohne Belag und blickte auf den
Fernseher, der raumbeherrschend in der Ecke hing. Es lief etwas über
„Hitlers geheime Schätze“. Man sah eine nachgestellte Szene, in
der ein Flugzeug abstürzte. Der Ton war abgestellt. Man sah ein im
Wasser liegendes Flugzeug, in dem eine Schatzkiste trieb. Ein lautes
Tuten riß Bernd aus seiner Lethargie. Im Hafen ereignete sich gerade
ein Unfall: Ein Kutter war in die Bahn eines Containerschiffs
geraten, dieses konnte nicht bremsen und fuhr auf den Kutter auf, der
sofort Schlagseite bekam. „Komm, Bernd, da müssen wir helfen!“
Sie sprangen auf. Der Tresensitzer setzte sich an ihren Platz und
trank ihren Kaffee aus.
Alle Teile "In einem Leuchtturm"
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