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Es werden Posts vom 2017 angezeigt.

Der renommierte Neurologe

Dr. med. Onno Spahncke - der renommierte Neurologe Er verspürte seit Wochen ein schreckliches Pochen im Hinterkopf. Es fühlte sich an, als hätte er mit viel Schwung einen Spaten gegen den Schädel geschlagen bekommen. Das war aber nicht geschehen. Eines Morgens war er aufgewacht, da hatte es in seiner Stirn von innen gedrückt. Innerhalb einer Woche wanderte das unangenehme Gefühl an den Ohren vorbei und setzte sich im hintersten Bereich des Schädels fest. Hier blieb es. Hier begann es zu hämmern, Tag ein, Tag aus. Besonders, wenn Jörk in Lichtquellen blickte oder seinen Kopf nach vorne senkte. Jörk machte sich Gedanken über die Ursache des Schmerzes. Er nahm frei erhältliche Medikamente, die tagsüber das Unwohlsein vertrieben. Zum Abend hin kam das Pochen wieder zurück und hinderte ihn am Schlafen. Mit der Zeit begann er auch mittags und abends Tabletten zu nehmen. Schließlich entschied er sich, seinen Hausarzt aufzusuchen. Er fuhr Dienstagmorgen mit seinem Fahrrad dorthin. Der All

Hand in Hand: Der KREM bekennt „Farbe“

Am 30.11. war es so weit: Mehr als hundert Menschen* versammelten sich auf einem vielbefahrenen Abschnitt der Bundesautobahn 381 nahe Zerpentin (Uckermark). Sie waren Zuschauer einer etwas anderen Menschenkette, die im „Zickzack-Kurs“ über die Autobahn verlief. Etwa 600 Menschen waren dem Aufruf gefolgt, den der KREM zusammen mit zahlreichen zivilgesellschaftlichen Initiativen getätigt hatte. Die Teilnehmer waren zwar nicht so farbenprächtig gekleidet wie erhofft – es changierte zwischen grau, braun und schwarz –, aber immerhin nahmen einige Farbige an der Menschenkette teil.  Aus Sicht von Merthold Schöbes, Sprecher der „Aktion Menschenkette JETZT“ und Adolf Schönbiss, Vertreter des Bündnis „Wir sind dabei“,war die Aktion ein voller Erfolg: „Erklärtes Ziel war die Durchführung einer Menschenkette, um politisches Bewußtsein zur Schau zu stellen“, meinte Schöbes auf mehrfache Nachfrage. „Wir waren dabei“, ergänzte Schönbiss widerwillig. Einzig der „Verein aktionsfreudig

Eier in Senfsoße

Die Gastautoren (von rechts nach links):  Gereon Brandenbrod, Marek Szelman Stefan, Torsten und Ralph saßen im leeren Wohnzimmer der neuen Wohnung. Sie hatten den gesamten Tag damit zugebracht, Kartons und Möbel hoch zu schleppen. „Sag mal, Ralph, hast du schon was zu Essen in der Wohnung?“, fragte Torsten. „Naja“, antwortete Ralph, „Kartoffeln und Eier müssten da sein. Hast du Hunger?“ Torsten bejahte die Frage. Stefan schaltete sich in das trostlose Gespräch ein. „Hast du sonst noch was da, was man machen könnte?“ Ralph schaute sich um. „Nee, ich glaube nicht.“ Er ging in die Küche und kam mit einem Netz mehlig kochender Kartoffeln und einem Karton mit Eiern aus Käfighaltung zurück. „Das ist alles, da müssen wir wohl sehr kreativ sein, um was draus zu zaubern.“ Torsten sah enttäuscht aus. „Können wir nicht noch was einkaufen gehen?“ Stefan schüttelte seine dicken roten Backen wild von links nach rechts. „Hat alles schon zu. Und Essen bestellen find ich immer zu t

In einem Leuchtturm, Teil XI

WAS BISHER GESCHAH: Michael versah einst mit Bernd Dienst auf einem Leuchtturm, wurde dann aber von einer Welle in ein kunterbuntes Abenteuer gestürzt, in dem er auf räubernde Piraten und die CIA stieß. Bernd bekam mittlerweile einen neuen, etwas gewöhnungsbedürftigen Kollegen und ließ nach Michael suchen, aber bisher ohne Erfolg. Also ziemlicher Trash, aber liest sich ganz gut. Mal sehen, wie es heute weiter geht (ich weiß es schon ...) Achtzehn Stunden hatten Henk und Michael gebastelt, achtzehn Stunden, in denen sie jedes Teil einmal falsch verbaut hatten, es wieder hatten lösen müssen und schließlich den eigentlichen Verwendungszweck begriffen hatten. Aber nun lag es vor ihnen: Ein zwölf Meter langes, vier Meter breites und 1,5 Meter hohes Schlauchboot. Sagte zumindest die Betriebsanleitung. Das Boot, das vor ihnen lag und das sie allein sechs Stunden lange hatten aufpumpen müssen (natürlich war die elektrische Pumpe von Henk kaputt), lag vor ihnen wie ein Schatten seiner Selb

Im Portrait: Hans Weißenpfaff – Der letzte Vertreter eines sterbenden Handwerks

Weißenpfaff nachdenklich an seiner Werkbank Wenn Hans Weißenpfaff gebückt in seinem Werkraum steht und arbeitet, möchte man ihn auf der Stelle wahlweise einfrieren, in einer Alkohollösung konservieren oder zumindest ein Foto von ihm machen. Hans ist 97 Jahre alt und kommt aus Unterfranken, um genau zu sein aus Brüttingen. Malerisch gelegen zwischen den Flüssen Rote Lösche und Mebrach wohnt Hans auf einem alten Hof, direkt am Weinhang. Hans ist von Beruf Schellensturzschleifer. Ein Beruf, den es nachweislich seit dem Jahr 1507 in Brüttingen gibt. Dem einzigen Ort, in dem dieser Beruf überhaupt existiert. Der Schellensturzschleifer ist ein Beruf aus einer lange zurückliegenden Zeit. Mit heiserer Stimme erklärt uns der hagere Mann, was der Schellensturzschleifer früher tat. Der „Schellestutzschleifää“, wie Hans seinen Beruf im Dialekt ausspricht, hat den Schellensturz hergestellt. Ein Werkzeug, das wiederum vom Schellenstürzer genutzt wurde, um die Schelle, eine 50 mal 50 cm große H

Wilhelm Brannt (1926-2017)

„Immer der, der fragt“ – Mit diesen Worten wurde ich angewiesen, einen Nachruf auf Wilhelm Brannt zu verfassen. Es war am 21. September, da ich in der Kommentarsektion des KREMs danach fragte, wer für Wilhelm Brannt die posthume Ehrung schreiben möchte. Christoph Teusche, unser Chefredakteur, hat schließlich mich angewiesen, dies zu tun – „Immer der, der fragt“. Leider kenne ich Wilhelm Brannt nicht, ich habe ihn nur ein einziges Mal flüchtig gesehen. Es war im Sommer 2015, damals zog er sich ein Bifi an unserem Snack-Automaten. Ich grüßte ihn herzlich, er grüßte nicht zurück. Das ist alles, was uns verbindet. Aufgrund dieses einen Treffens habe ich mein Urteil über ihn gebildet – ich mag ihn nicht. Deshalb tut es mir umso mehr leid, dass gerade ich den Nachruf schreiben soll. Wäre nicht Christoph der deutlich geeignetere Verfasser? Er hat mit Wilhelm Brannt insgesamt fünf Kur-Urlaube im Harz verbracht. Er könnte ihn wirklich würdigen, er kennt ihn. Ich habe über diesen wahrscheinlic

Das Zeltlager des Mittelaltermarktes

Torsten Draeger war schlechtgelaunt. Er arbeitete als Feuerspucker auf Mittelaltermärkten und fuhr immer in der ganzen Republik umher, zusammen mit einer größeren Gruppe von Leuten: Händlern, Magiern, Musikanten und Narren. Zurzeit gastierten sie in Doberlug-Kirchhain. Die Menschen dort waren sehr schlicht, was gut war, denn umso leichter waren sie zu unterhalten. Doch andererseits machte sich die Hartz-Gesetzgebung an solchen Orten auch besonders bemerkbar. Gerade hatte er für sein „teuflisches Feuerspektakel“ Geldspenden in Höhe von lediglich 8,50 € erhalten. Was dachte sich dieser tumbe Pöbel eigentlich? Wovon sollte er denn leben? Die kriegten ja immerhin Geld vom Amt, aber er war Freiberufler, da hätte er tausend Nachweise bringen müssen, nur um  am Ende doch keine Ansprüche zu haben. Dann lieber irgendwie durchschlagen. Aber diese verdammten Doberluger machten es ihm schwer. Und es gab so viele Doberluger in Deutschland. Mit Schaudern dachte er an Bad Harzburg und Wismar, aber

Das Der KREMagazin – Oktober-Ausgabe: Der Mensch als Haus

Ignaz Kropesch ist 67 Jahre alt, strahlt aber dennoch eine satte Portion Jugendlichkeit aus. Er trägt einen rötlich blonden Stalinschnauzer und hat ein faltenloses, kinderhaftes Gesicht, das übergangslos in seine schimmernde Glatze mündet. Sobald er anfängt zu reden, beginnt er stets zu lächeln. Seine heitere Art führt er auf seinen tiefen Glauben zurück. Kropesch sitzt, während wir das Interview mit ihm führen, auf seinem neu angeschafften Plastikklappstuhl. Er ist ein sehr ruhiger und bedachter Mensch.

Der KREM zeigt klare Kante!

Die gestrige Bundestagswahl ist zweifelsohne eine Erdrutschwahl. Während so manche Partei mit altbekannten Gesichtern wie ein Dickmann langsam in der Mittagssonne zerläuft, feiern Politikneulinge satte und saftige Gewinne – das politische Berlin steht Kopf! Da ist es wichtiger denn je, dass alle diskursbestimmenden Meinungsmedien Stellung beziehen. Für Der KREM bedeutet das: Gesicht zeigen. Doch das genügt nicht. Die gesamte Redaktion von Der KREM ist sich darin einig, dass eine symbolische Aktion hier und heute ein Zeichen setzen muss. Am 30. November wollen wir deshalb mithilfe unserer großartigen, ja monströsen Leserschaft, eine Menschenkette bilden. Unter dem Motto „Hand in Hand“ werden wir alle zusammen Farbe bekennen. Diese ausgekaute Floskel nehmen jedoch wir mehr als ernst: Wir wollen ein buntes Fest veranstalten, bei dem jede Farbe hell erstrahlen soll. Wo die Farbskala aufhört, fangen wir an. Deshalb bitten wir euch alle: Kommt! Egal ob groß oder klein, ob arm oder reich, eg

Ritt ins Blau – vierzehnter Teil: Kilien Jappsen: Der böse Heinrich

Liebe Leserinnen und Leser, auch ich möchte Sie nach unserem Weißrußland-Aufenthalt herzlich begrüßen. Wie Sie bereits erfahren haben, war es eine strapaziöse Reise. Da ist fast ein Wunder, daß wir mehr oder wohlbehalten zurückgekommen sind – bis auf einen: Unser langjähriger Kulturredakteur und wiederkehrender Mitarbeiter des Monats (er schrieb mit Abstand die meisten Texte) ist tot: Wilhelm Brannt. Er war aber auch alt, das muß man dazusagen. Also er starb an einer an sich (im Westen) heilbaren Krankheit, aber er war alt. An dieser Stelle auch mein herzliches "Beileid" den Verwandten: Wenn Sie uns anrufen, verraten wir Ihnen gern nähere Todesumstände. Wir suchen einen neuen Kultur-Redakteur! Bewerbungen bitte an info@derkrem.org! Vor seinem Tod bzw. bereits vor unserer Weißrußland-Fahrt verfaßte Wilhelm Brannt einen letzten Text, der heute nicht mehr aktuell ist. Aus Rücksicht auf den Toten und weil zurzeit die meisten anderen Redakteure nicht arbeitsfähig sind, lesen Sie i

Der KREM kehrt zurück

Werte Leser! Sie wundern sich wahrscheinlich, warum wir ein „Lebenszeichen“ (diesen Text) an Sie aussenden. Diese Verwunderung kann ich gut nachvollziehen, denn nachdem DER KREM eine Art „journalistisches Organversagen“ erlitten hatte, waren alle Autoren vorerst „tot“. „Tot“ im Sinne von „inaktiv“, also lediglich mit anderen Dingen beschäftigt, als mit dem Schreiben von Artikeln. Das bedeutet, dass die Redaktion auch wieder „aktiv“ werden kann, also den beschrieben Zustand des „Tot“-seins einfach verlässt. Damit offenbart sich, dass die gewählte Metapher des Organversagens und des anschließenden Todes völlig falsch gewählt ist. Lassen Sie uns kurz gemeinsam innehalten.