Michael
saß an einem Schreibtisch. Ihm gegenüber saß ein offenbar
ranghoher Angehöriger einer militärischen Organisation. Hinter ihm
prangte einer US-amerikanische Flagge.
In
akzentfreiem Deutsch wandte er sich an Michael.
„So,
Herr ...“ Der Mann schaute auf ein Blatt Papier. „Warum bin ich
hier?“, fiel Michael ihm ins Wort.
„Ich
will offen zu Ihnen sein … Sie sind da zufällig reingeraten. Aber
jetzt kommen Sie auch nicht mehr raus. Es tut mir leid!“
„Ich
verstehe kein Wort!“
„Ja,
also, es ist ganz einfach. Sehen Sie, ich bin Agent Pöhlmann.“ Er
sprach das „Agent“ englisch aus, was seltsam klang ob seines
Nachnamens. Michael wiederholte die Aussprache: „Agent? Was denn für
ein Agent?“ - „Nun ja … Kennen Sie die C.I.A.?“
Michael
sagte gar nichts. Er sah Pöhlmann nur mit aufgerissenen Augen an.
„Das
heißt vermutlich „ja“. Sehen Sie, betrachten Sie sich als ihr
Gefangener.“
„Warum?“,
war das einzige, was Michael einfiel.
„Gute
Frage, sehr gut!“ Er stand auf und ging in eine Ecke des Raums, um
sich einen Kaffee einzugießen. „Auch einen?“
„Äh
...“ Michael war sich nicht sicher, ob er Kaffee wollte. Er wußte
gerade generell nicht sehr viel.
„Sie
haben sich nichts zuschulden kommen lassen, um es gleich
vorwegzunehmen. Sie sind eher eine Art Kollateralschaden.“
„Oh
… Das ist … scheiße!“
„Ja,
aber so schlimm nun auch nicht. Heute abend können Sie schon frei
sein. Sie müßten nur eine klitzekleine Unterschrift leisten. Ich
möchte Sie nicht länger auf die Folter spannen. Hiihi, jetzt habe
ich schon de Pointe vorweggenommen.“ Er kicherte, ging zu einer Bar
und goß sich etwas ein. „Bourbon?“, fragte er. Michael nickte
stumm. Pöhlmann goß ein. „Was wir von Ihnen wollen, ist
folgendes: Sie unterschreiben, daß Sie vor der Presse berichten, Sie
seien gefoltert worden von der CIA. Und dafür lassen wir Sie nach
Hause gehen.“
Michael
hatte schnell getrunken und war sich nicht sicher, ob er das richtig
verstanden hatte. „Sie wollen … daß ich … aussage, gefoltert
worden zu sein? Ohne tatsächlich gefoltert worden zu sein?“ „Sie
haben's erfaßt.“
„Äh
…“
„Nehmen
Sie sich die Zeit, die Sie brauchen. Wollen Sie ein Wasser?“
„Warum
… äh … warum?“
„Das
ist wiederum eine berechtigte Frage. Nun, wissen Sie, die C.I.A. hat
in letzter Zeit ein kleines Rassismus-Problem. Wir haben unzählige
Araber entführt und foltern lassen. Und jetzt kommen Sie. Damit die
CIA beweisen kann, daß Sie nicht in Hautfarbe-Kategorien denkt,
haben wir beschlossen, die Entführung eines Weißen vorzutäuschen
und ihn von Folterungen sprechen zu lassen.“
„Da
bin ich sprachlos“, schilderte Michael das Offensichtliche.
„Das
würde mir genauso gehen“, beschwichtigte Pöhlmann. „So, dann
könnten wir auch gleich zur Unterschrift kommen, sonst foltern Sie
die Taliban.“
„Wieso
Taliban? Ich denke, Sie sind die C.I.A.?“
„Ja,
aber wir haben hier ein paar Jungs aus Arabien, die wir in dem
Glauben lassen, Sie seien Taliban, und die wir gleichzeitig in dem
Glauben lassen, Sie arbeiteten für uns. Nur dürfen sie das niemandem
erzählen, sonst werden sie gefoltert.“
„Warum
tun Sie das? Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn!“
„Wir
lassen sie in dem Glauben, es ergebe Sinn.“
„Warum?“
„Tut
mir leid, das weiß ich nicht. Das ist ein Code Blanche.“
„Code
Blanche? Ist das irgend so eine Geheimhaltungsstufe?“
„Nein,
das ist ein Weißwein. Probieren Sie mal!“
„Ich
bekomme Weißwein?“
„Selbstverständlich!
Sie sind doch unser Gast.“
Michael
nippte an dem Wein. „Ich bin kein Gefangener?“
„Gefangener
ist so ein häßliches Wort.“
„Ach
so. Sagen Sie mal, foltern Sie die Araber?“
„Wir
dürfen doch gar nicht foltern. Das machen Taliban für uns. Naja,
zumindest lassen wir Sie in dem Glauben ...“
„Warum
das alles?“
„Weiß
ich nicht. Wollen Sie auch gefoltert werden?“
„Nein,
natürlich nicht. Was für eine Frage?“
„Was
glauben Sie, wieviele Gefangene ...“
„Ich
denke, ich bin Ihr Gast?“
„...
äh, ja. Wieviele Gäste wünschen, gefoltert zu werden?“
„Das
glaube ich Ihnen nicht!“
„Doch!
Viele! Vor allem, wenn sie unter Folter gefragt werden.“
„Das
ergibt keinen Sinn!“
„Das
unterliegt strengster Geheimhaltung!“
„Das
war keine Frage.“
„Das
behaupten Sie! Zurück zum Thema: Unterschreiben Sie!“
„Und
wenn ich mich nun weigere?“
„Dann
werden Sie gefoltert!“
„Dann
könnte ich ja tatsächlich wahrheitsgemäß von Folter berichten!“
„Nein,
über unsere Folter verlangen wir absolutes Stillschweigen!“
„Das
ergibt alles keinen Sinn, was Sie sagen!“
„Das
entscheide ich, was Sinn ergibt und was nicht!“, giftete Pöhlmann
ihn nun an. Die Stimmung war gekippt. „Also – unterschreiben Sie
nun?“
„Wenn
ich nicht unterschreibe, foltern Sie mich, aber ich darf nicht
darüber berichten, das bedeutet, Sie haben Ihr Ziel nicht erreicht.
Das ist doch dämlich!“
„Oh
doch, Sie werden über Folter berichten, aber nicht die meinen, die
sie erlebt haben!“
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