Der
König tobte vor Wut, mußte sich aber den Gegebenheiten stellen. Sie
fanden sich allesamt in der Zelle wieder, in der Joachim schon einmal
allein gesessen hatte. Niedergeschlagen erwarteten Sie ihre
Hinrichtung. Eines Tages kam eine Wache an ihre Zelle. „Hee,
Fremdling aus der Zukunft! Steh auf!“ Joachim stand auf. „Hat
Hieronymus von Dessau repariert. Er richtet tröstliche Grüße aus.“
„Wer ist denn Hieronymus von Dessau? Ach, „der Weise“, ich
verstehe! Dankt ihm sehr, werter Wärter!“
Die
Wache zog ab. In dem Moment begann Viktoria Luise Gustebine Adolfine,
die jedoch im Zellenjargon nur „Vicky“ genannt wurde, jämmerlich
zu weinen. „Gräm dich nicht, Herzblatt, ich habe eine Lösung für
unsere mißliche Lage!“ „Du bist wahrlich der weiseste Mensch,
den ich je kennengelernt habe. Wie lautet deine Lösung?“ - „Was
mir der weise Hieronymus gerade hat bringen lassen, ist der
Mechanismus, mit dem meine Zeitmaschine uns in die Gegenwart
zurückholt. Ihr müßt mich nur anfassen, während ich ihn auslöse,
dann kommt ihr mit ins Jahr 1991!“
Der
König und die Prinzessin waren zunächst schockiert, aber der
drohende Tod überzeugte sie. Also stellten sie sich im Kreis auf und
Joachim betätigte den Mechanismus.
Es
passierte nichts.
Sie
standen immer noch in dem Kerker, der noch schäbiger aussah als
ohnehin schon. Erst auf den zweiten Blick merkten sie, daß nur ihre
Zelle noch stand, rings umher war alles verfallen. Auf den dritten
Blick bemerkten sie die Schulklasse, die in fünf Metern Entfernung
stand und deren Schüler sie fassungslos anblickten.
Joachim
mußte nun die Verhältnisse ordnen. „Ihr habt nichts gesehen,
klar?“, raunte er den Schülern und der Lehrerin zu. Ein Junge, er
war wie seine Mitschüler etwa acht Jahre alt, begann zu weinen. Die
Lehrerin starrte die drei immer noch an. Das nutzte Joachim, um die
Flucht zu ergreifen. Er faßte seine Begleiter am Arm und rannte los.
Sie rannten etwa fünf Minuten, ehe sie den Waldrand erreichten. Da
Joachim unweit des Waldes wohnte, würde es ein Leichtes sein,
unbemerkt zu seinem Haus zu gelangen. Seine Nachbarn interessierten
sich nicht sehr für ihn. Zehn Minuten später waren sie wohlbehalten
angekommen. Später beim Einkaufen kam Joachim an dem elektronischen
Fahrgastinformationssystem vorbei. Es war der 12. Januar 1992. Er war
dreieinhalb Monate weg gewesen. Bei der Arbeit gab er an,
Zahnschmerzen gehabt zu haben, was ohne weitere Nachfragen akzeptiert
wurde. In seinem Fach stapelten sich Briefe, zudem war für ihn ein
Postfach eingerichtet worden, da in der Zwischenzeit viele
Steuerpflichtige Klage erhoben hatten wegen verschleppter Bearbeitung
ihrer Anträge. Joachim gab die Briefe in die Rechtsabteilung. Der
Rest der Arbeit war überschaubar.
Am
Abend erwarteten ihn König und Prinzessin. Er hatte die beiden
überredet, erst einmal nicht rauszugehen, um nicht aufzufallen.
Jetzt konnten sie es kaum erwarten, Zeuglitz zu sehen. Der
Königspalast war selbstverständlich noch erhalten und befand sich
in einem besseren Zustand als zu Lebzeiten des Königs, wie dieser
neidisch anmerkte. Sonst hatte sich aber vieles verändert. Zeuglitz
war im Zweiten Weltkrieg schwer bombardiert worden. Joachim hatte den
beiden portionsweise die wichtigsten Geschichtsdaten bis zum heutigen
Tage erzählt, immer darauf bedacht, sie nicht zu sehr zu
überfordern. Jetzt konnten die beiden mit eigenen Augen sehen, wie
sich die Welt gewandelt hatte.
Der
König mußte sich nach einer neuen Beschäftigung umsehen, da er
nicht mehr König sein konnte. Als Kind hatte er neben dem
geziemlichen Verhalten bei Hofe nur gelernt, zu jagen. Aber es war
keine Stelle als Jäger/Förster frei. Er probierte sein Glück auch
als Weinvertreter, aber mit seiner altmodischen Art eckte er immer
an. So blieb er arbeitslos, was aber nicht so schlimm war, denn im
Grunde war er sein ganzes Leben arbeitslos gewesen, wie er mit einem
Augenzwinkern bemerkte. Er wohnte im Dachgeschoß von Joachims Haus,
während Vicky unten bei Joachim wohnte. Zwei Monate später
heirateten die beiden standesamtlich.
„Du
solltest das gerechte Steuersystem hier auch einführen!“, meinte
der König eines Tages beim Abendbrot. „Das ist nicht so einfach,
wir sind jetzt eine Demokratie!“ - „Rede doch mal mit deinem
Vorgesetzten, was der davon hält, dann zieht das immer weitere
Kreise!“, wandte der König ein, der sich schnell an den modernen
Sprachgebrauch gewöhnt hatte. Also faßte sich Joachim ein Herz und
redete mit dem Amtsleiter des Finanzamtes Zeuglitz. Der war
begeistert von der Idee und versprach, das Modell bei der nächsten
Amtsleiterrunde vorzutragen.
Einen
Monat wurde er wieder zu ihm bestellt. „Herr Schüttler, Sie werden
vorläufig beurlaubt. Es hat nichts mit ihren Ideen zu tun. Aber
unter uns Pastorentöchtern: Es hat natürlich genau damit etwas zu
tun! Tut mir leid, Sie stehen jetzt wohl vor dem Nichts! Kurze Zeit
später wird wohl die ordentliche Kündigung kommen!“ Kurze Zeit
später kam die ordentliche Kündigung und Joachim stand vor dem
Nichts. Er trat gegen einen Laternenpfahl.
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