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In einem Leuchtturm, Teil XII

Worum geht es hier? siehe die kurze Zusammenfassung


„'Meine Jugendliebe', wie albern“, sagte Bernd. „'Meine Jugendliebe', das sagen nur welche in schlechten Filmen oder Groschenromanen. Eigentlich nur in Groschenromanen.“ „'tschuldigung, ich stand partiell unter Schock, als ich es sagte. Du hast recht, es klingt bescheuert.“ „Du bist also auch ...“ Bernd brachte den Satz nicht zu Ende. „...?“, fragte Luca, merkte, daß der Satz keine Worte enthielt, und begann erneut: „Kannst du das Wort nicht mal aussprechen?“ „Mann, Luca, ich habe nichts gegen … Es ist ist nur so, ich komme aus einfachsten Verhältnissen und ...“ „Oh, bitte, das ist aber auch verdammt klischeehaft. „aus einfachsten Verhältnissen“, das sagt auch keiner.“ „Doch, das wird immer über SPD-Politiker und über manche Neureiche gesagt.“ „Aber das sagt keiner über sich selbst.“ „Na, wie dem auch sei, ich komme aus Butjadingen, und da gab es keine ...“ „Keine was?“, fragte Luca.
„Schwulen!“

Michael hatte inzwischen Nägel mit Köpfen gemacht. In der Steuerkabine hatte er eine Flinte mit Betäubungsmunition gefunden. Wie kam die bloß dahin, er hatte doch das Boot selber zusammengebaut? Henk mußte sie ihm hingelegt haben. Mit der Flinte hatte er die kotzefressenden Möwen betäubt und anschließend getötet, kompliziert miteinander verknotet und schließlich ein großes Ruder aus ihnen gebaut. Mit diesem konnte er nun am Heck des Schiffes die Route bestimmen. Es war Nebel aufgezogen, aber er hatte Lichtblitze gesehen und war auf sie zugefahren. Als erfahrener Leuchtturmwärter wußte er genau, wohin er fuhr. Bei seiner Geschwindigkeit konnte es aber noch ein paar Stunden dauern, bis er dort ankam. Es war nun absehbar, daß er wieder zurückkehren würde. Nichts konnte ihn jetzt noch aus der Bahn bringen. „Auf einmal kamen alle Gefühle in ihm hoch, die er die ganze Zeit unterdrückt hatte“, sagte er und grinste. Aber es stimmte: Auf einmal kamen alle Gefühle in ihm hoch, die er die ganze Zeit unterdrückt hatte. Er wußte nicht, wie er sich Bernd gegenüber verhalten sollte. Er hatte keine Ahnung, wie Bernd reagieren würde. Vielleicht würde er sich nach einem neuen Job umsehen. Jedenfalls konnte er mit einer permanenten Spannung am Arbeitsplatz nicht umgehen.

„Schwul schwul schwul schwul schwul schwul schwul schwul schwul schwul schwul!“ „Ist ja gut jetzt!“ Luca war genervt. Bernd hatte ihm demonstrieren wollen, daß er nicht schwulenfeindlich war. Dabei hatte er es wie üblich übertrieben. Luca nahm seine Jacke. „Wo gehst du hin, schwuler Luca?“, fragte Bernd. „Ich gehe ins Erna's, aber du brauchst mich jetzt nicht auf mein Schwulsein zu reduzieren.“ „Du weißt auch nicht, was du willst“, entgegnete Bernd beleidigt.

Langsam ging die Sonne unter. Über die ruhige See drang das platschende Geräusch von Rudern, die aus Möwenkörpern gefertigt waren. In den letzten Sonnenstrahlen näherte sich das Boot dem Ufer. Michael ging an Land und zog das Boot hinter sich her. Sofort löste es sich in Flammen auf, ein Sicherheitsmechanismus, den Michael aber für überdenkenswert hielt. Er überließ das brennende Wrack seinem Schicksal und wandte sich zum Gehen. Leider griff das Feuer auf eine Öllache über, die, wie Michael bestürzt feststellen mußte, vom Boot aus quer über die Leuchtturminsel zur Baracke führte, die ebenfalls zu brennen begann. In Windeseile holte Michael einen Eimer aus dem Geräteschuppen, schöpfte Wasser und rannte zur Baracke. Im selben Moment stürmte Bernd schreiend aus dem Häuschen. Als er Michael sah, erstarrte er. „Tut mir leid, da war eine Ölspur, ich wußte nicht ...“ „Michael?“ „Bernd“, rief es vom anderen Ende der Insel her, „bist du verletzt?“ Die Person kam näher. „Luca? Was machst du denn hier?“ Michael war vollkommen perplex. „Michael, was ist hier los? Bernd, wieso brennt es?“ „Luca, wie kommst du denn hierher? Wie haben uns ja ewig ...“ „Ja ja, jetzt laßt uns erst mal das Feuer löschen.“ Luca war der erste, der die Fassung wiederfand. Beherzt griff er Michaels Eimer, den dieser leider immer noch nicht entleert hatte. Das motivierte auch die anderen beiden. Sie rannten zum Schuppen und holten Eimer. Nach einer halben Stunde war das Haus abgebrannt, es hatte nichts genutzt. Da Bernd vergessen hatte, das Leuchtfeuer anzustellen, war zwischenzeitlich ein Schiff auf Grund gelaufen. Sie hatten also alle Hände voll zu tun.

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