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Ferdinand will schlafen

 

Ferdinand legte sich ins Bett und setzte die Kopfhörer auf. Er wollte einen Power-Nap halten; kurz, aber tief schlafen. Später würde noch der Termin mit dem Kunden sein, davor brauchte er Ruhe. Beim Streaminganbieter wählte er seinen Einschlaf-Podcast aus. Ihm fiel eine Episode mit dem Titel „AUTHENTISCHE Einschlaf-Meditation“ ins Auge. Interessiert tippte er sie mit seinem Finger an, legte das Gerät beiseite und schloß die Augen.

ATME EIN. ATME AUS. DER ATEM WIRD IMMER TIEFER. DU MERKST, WIE DEIN KISSEN EIN BISSCHEN UNGÜNSTIG LIEGT; SO DASS DU NICHT GANZ GERADE LIEGST. EGAL, WIRD SCHON GEHEN. TIEFER UND TIEFER WIRD DEIN ATEM … NEIN; DAS MIT DEM KISSEN GEHT GAR NICHT! MIT DER HAND GREIFST DU NACH HINTEN, UM ES ZU RICHTEN. DU WILLST NICHT AUFSTEHEN UND DICH UMDREHEN, UM NICHT WIEDER WACH ZU WERDEN. ABER ES IST IMMER NOCH SCHIEF. ALSO DOCH AUFRICHTEN, DAS KISSEN NOCH MAL AUFSCHÜTTELN UND HINLEGEN. SELBST AUCH WIEDER HINLEGEN. JETZT ABER DEN ATEM TIEFER WERDEN LASSEN, NOCH IST GENUG ZEIT, BEVOR DER KUNDE KOMMT.

Ferdinand wunderte sich, daß der Podcast so spezifisch wurde. Aber das liegt halt an den Algorithmen, dachte er, die wissen bescheid. Er konzentrierte sich wieder auf den Podcast.

… TIEFER WERDEN LASSEN UND DABEI GANZ BEWUSST DEN ATEM SPÜREN. WAS JUCKT DENN DA? AM NACKEN, WIESO DAS DENN JETZT? UFF, NA GUT, KRATZEN KANN MAN SICH IMMERHIN AUCH IM LIEGEN …

Ferdinand musste sich unwillkürlich am Nacken kratzen. Das ist Autosuggestion, dachte er, oder ist das was anderes und ich verwechsle ich gerade? Das müsste ich mal googlen, aber nicht jetzt, jetzt wird erst mal entspannt!

SO, DER NACKEN IST WIEDER OKAY. ICH FRAGE MICH, WAS ALS NÄCHSTES KOMMT. EGAL, NICHT ABLENKEN LASSEN, WEITER ENTSPANNEN, ETWAS ZEIT BLEIBT NOCH. WIR ATMEN EIN, UNSERE GLIEDER WERDEN SCHWER …

Ferdinand merkte, wie er langsam Richtung schlaf driftete. Alles um ihn herum verschwamm, wurde dunkel, wurde warm …

FUUUUCK, DU HAST DEN TERMIN VERSCHLAFEN! HAAAALLO, WACH AUF!! DU TROTTEL HAST DIR KEINEN WECKER GESTELLT! MAAAAN EY! NA IMMERHIN BIST DU JETZT ENTSPANNT! KANNST DU DIR JA WAS FÜR KAUFEN! DER CHEF WIRD DICH ANSCHREIEN, ABER HEY, DU BIST ENTSPANNT. GLÜCKWUNSCH! TROTTEL!

Ferdinand riß die Augen auf. Er sah auf das Handy: Es war noch mehr als genug Zeit! Aber jetzt war er wach.

SO, DAS WAR’S VON MIR, ICH HOFFE, IHR HATTET NE GUTE ZEIT. UND WENN’S EUCH GEFALLEN HAT, LASST MIR DOCH NEN DAUMEN HOCH DA. BIS BALD, EUER SVEN.

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