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Besuch bei Welm

 Das hier ist der Lauf, da sollte man nicht reinschauen, wenn die Waffe geladen ist. Und das sind Bilder von toten Tieren. Das da, jetzt zeigt Welm auf die Wand, ist totes Damwild. Hab ich letztes Frühjahr erlegt, war mein 1000. Abschuss. Junge, war ich da stolz. Man muss immer nach vorne schauen. Immer. Wie viele krieg ich noch? Wird das Jagdrecht bald angepasst? Nachtabschüsse, wie siehts damit aus? Darf man ja nicht, wäre aber eine Möglichkeit. Ich sag nur Schweinepest, afrikanische. Naja, ich habe jetzt Hunger, wollen Sie auch was essen? Gibt Krauteintopf aus der Dose. Während Welm um die Ecke verschwindet, mustere ich den Raum. Er ist klein und vollgestellt mit Krimskrams, unzählige Spielesammlungen, ausgestopfte Tierkörper. An der Wand, die holzvertäfelt ist, hängen Bilder von getötetem Dam- und Schwarzwild. So viel möchte ich an dieser Stelle schon mal sagen: mit selbigen, also dem Schwarzwild, werden wir noch Bekanntschaft machen. Der Teppichboden ist zerlaufen, die alten Holzmöbel, ein Schrank und ein Esstisch, sehen ganz hübsch aus. Irgendwie schon alt aber auch nicht wirklich. Aus der Küche strömt langsam Krautsuppengeruch. Ich nehme ein Gewehr in die Hand und lege es an. Ich ziele auf eins der toten Tiere. Welm kommt zurück mit zwei vollen Tellern. Das Gewehr sollten Sie jetzt besser wieder hinlegen, isst sich schwer mit dem Ding in der Hand. Ich spreche da aus Erfahrung. Ich leiste seinem Befehl folge und lehne das Gewehr an die Wand. Krauteintopf mit einem Klecks Schmand drauf, hat meine Oma immer so gemacht und mache ich auch. Ist einfach besser mit. Ist das nicht russisch, frage ich, mit Schmand drauf? Welm schüttelt seinen Kopf. Ich glaube nicht. Na gut, sage ich, und beginne zu essen. Wissen Sie, ich war fünfundzwanzig, als ich mein erstes Tier getötet habe. Ein Dachs, ein richtiger Frechdachs. Welm lacht und zieht dabei seine Mundwinkel nach unten. Ungewöhnlich. Den Dachs habe ich erlegt, weil es zu viele davon gab. Die haben den Raps rausgerupft. Schauen Sie sich mal Bilder von Dachsen an, die haben richtige kleine Hände. Wie Gärtner haben die damals massenhaft Raps gejätet. Kann man sich kaum vorstellen, ist aber wahr. Habe einen auf frischer Tat ertappt und dann BUMM. Mein erster Schuss. Und wissen Sie was, der saß perfekt. Direkt durch den Brustkorb, durch das Herz und hinten wieder raus. Der kleine Mann hatte keine Chance und glücklicherweise auch keinen Todeskampf. Ich sage nichts.

...

Schwerer Nebel steht über der Wiese, die ganz in der Ferne an einem Bach endet. Bäume gibt es hier nicht, nur Büsche, Hagebutten. Die Landstraße, an der unser Jeep steht, befindet sich ein paar Meter neben mir. Es ist leise und bitterkalt, 6 Grad Celsius vor mir erstreckt sich die norddeutsche Tiefebene in ihrer gesamten Tiefebenheit. Wir müssen ganz leise sein, hier oben. Für die nächsten zwei Stunden können wir uns ausschließlich flüsternd unterhalten. Einmal muss ich husten, ich habe mich verschluckt, da pscht Welm mich an. Wir müssen jetzt wirklich ruhig sein.


Fortsetzung folgt

Kommentare

Anonym hat gesagt…
Einfach schön
Anonym hat gesagt…
Wozu die Links?
Bett Schweiz hat gesagt…
Ich würde auch gern mal schießen.
Anonym hat gesagt…
Darf man auch auf Schwäne schießen?
Berne Hornbach hat gesagt…
Wenn ich jetzt auf was anderes schieße als erlaubt, wie müsste ich es"drehen", damit es Notwehr war?

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