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Die Mär vom Steuer-Mann (4/6)

Gesagt, getan. Der Weise konnte es kaum erwarten, einen Wissensvorsprung gegenüber anderen Weisen seiner Zeit zu erlangen. „Was ist es, was Ihr uns verraten wollt? Etwa das Problem der Primzahlen? Oder etwas aus dem Bereich der Differentialgeometrie?“
Nein, verehrter Herr, es geht um etwas anderes. Laut Paolo Ruffini, der in sechs Jahren geboren werden wird, sowie dem in 43 Jahren zur Welt kommenden Niels Henrik Abel, kann eine allgemeine Polynomgleichung fünften oder höheren Grades nicht durch Radikale – d. h. Wurzelausdrücke – ...“ Der Weise sah ihn unwirsch an: „Als ob ich nicht en detail darüber in Kenntnis darüber wäre, worum es sich bei Radikalen handelt!“ - „Natürlich, verzeiht! Es kann also eine allgemeine Polynomgleichung fünften oder höheren Grades nicht durch Radikale aufgelöst werden. Bevor ihr fragt“, kam Joachim dem Weisen zuvor, „beweisen läßt sich dieser sogenannte „Satz von Abel-Ruffini“, indem zwei Punkte gezeigt werden:

  • Die allgemeine Gleichung fünften Grades (d. h. die Gleichung mit Variablen als Koeffizienten) besitzt als Galoisgruppe die symmetrische Gruppe S5
  • Die symmetrische Gruppe S5 ist nicht auflösbar, denn sie enthält als einzigen echten Normalteiler die alternierende Gruppe A5 von der Ordnung 60, und diese ist einfach.“
Der Weise war sprachlos. „Eure Hoheit, heute ist ein großer Tag für die altehrwürdige Mathematik! Ich vermag nicht zu beurteilen, ob der Fremdling sein Wissen aus einer anderen Zeit bezieht, jedoch wenn nicht, so ist er unermeßlich weise! Ich kann es kaum erwarten, die Lösung dieses Problems in die Welt zu tragen!“
„Das dürft ihr nicht, mit Verlaub!“, sprach der König. „Wenn der Fremdling aus der Zukunft kommt, so steht dieses Wissen euch nicht zu, ihr werdet großes Unheil anrichten, wenn ihr um eine mathematische Formel aus der Zukunft wißt und diese in einen Umlauf bringt!“
„Oh nein, eure Hoheit, welch unglückseliger Tropf bin ich! Nie mehr wird mir diese Formel aus dem Kopfe fallen, und doch darf ich niemandem davon künden. Wie weh wird mir!“
„Es tut mir außerordentlich leid, doch nun geht, ich möchte mit dem Fremden allein sprechen.“
Der Weise ging, und der König wandte sich an Joachim.
„Fremder, ihr habt bewiesen, daß ihr über geheimes Wissen verfügt, so daß ich mich der Neigung hingebe, euch Glauben zu schenken! Nun sprecht, was ist Euer Begehr?“
„Eure Hoheit, ich habe kein Begehr! Ich erfand die Zeitmaschine und reiste durch die Zeit. Ich war nicht sonderlich darauf vorbereitet, so landete ich in Eurem Kerker. Nun stehe ich hier vor Euch und bitte um nichts als Freiheit! Wie gern würde ich zurück in die Zukunft reisen, denn seht, es verbinden mich so viele Dinge mit der Zeit, aus der ich komme.“
„Das verstehe ich, Fremder. Doch wie gern würde ich wissen, ob Eure hohe Intelligenz uns nicht von Nutzen sein kann.“
„Ich bin euer Diener, eure Hoheit!“
„Welche Fertigkeiten besitzt du? Womit verdienst du Lohn und Brot?“
„Nun, eure Hoheit, ich bin ein Finanzsachbear … ein Kämmerer!“ - Der König merkte auf. „Ein Kämmerer seid ihr? Ihr setzt die Steuern fest?“
„So ist es, eure Hoheit!“
Die Miene des Königs hellte sich auf. „Welche Steuern gibt es in der Zukunft? Wer muß sie bezahlen? Wie hoch ist der Anteil des Lohns, den die Untertanen entrichten müssen?“
Und Joachim begann zu erzählen. Er schilderte zunächst die grobe geschichtliche Entwicklung, vor allem, was die Abschaffung der Monarchie betraf, ging dann auf das Steuersystem der Bundesrepublik Deutschland ein und stellte die aus seiner Sicht unzureichenden Punkte dar, um anschließend das von ihm erdachte Steuersystem vorzustellen. Der König hörte aufmerksam zu. Er war sichtlich begeistert von den Entwicklungen im allgemeinen, nickte an manchen Stellen und hob anerkennend die Augenbrauen, als Joachim schließlich sein Steuersystem vorstellte. Als er fertig war, spendete ihm der König Beifall. „Bravo, Fremder, oder sollte ich sagen: Joachim? Euer Steuersystem ist so recht nach meiner Vorstellung. Seid mein Kämmerer, führt es hier ein in meinem Königreich! Auf daß alle sich am Gemeinwesen beteiligen! Wenn das Steuersystem erst installiert ist, so will ich dir die Freiheit schenken! Außerdem sollst du das halbe Königreich besitzen, und ich werde dir meine Tochter zur Frau geben!“

Kommentare

Ingo Haffner hat gesagt…
Wirklich sehr schöne Geschichte! Was mir aber noch auf dem Herzen brennt: Ich denke, dass ein Relaunch der Internetpresänz des KREMs langsam notwendig wird. Die blaue Tapete im Hintergrund ist so 2013...
Wir fordern einen Relaunch des KREMs !!!!!!!

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