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35 Jahre Arbeit

„Schwester Hannah, schnell, ich brauche eine Blutkonserve B rhesus negativ!“, brüllte der Anästhesist die OP-Assisstentin an. Hektisch musterte sie den Raum, fand jedoch keine. „Ich geh' schnell eine Konserve holen!“ Sie war schon aus dem Operationssaal heraus, als der Arzt ihr eine Antwort gab. So schnell wie sie nur konnte, rannte sie durch die langen Gänge des August-Mampf-Sanatoriums. Dann, nach ewigen zwei Minuten, erreichte sie, in der hintersten Ecke des Wilhelminischen Gemäuers, die Konservenkammer. Sie suchte kurz und fand eine 5-Liter-Konserve B rhesus negativ. Beim greifen nach dem feuchten Beutel riss sie einen zweiten herunter, der auf den Boden fiel. Schützend hielt sich die Krankenschwester den Unterarm vor das Gesicht, um das spritzende Blut abzuwehren. Doch der Beutel blieb heil. Erschrocken eilte die Krankenschwester wieder zum OP, die Konserve in der Hand. Den Beutel, den sie hinunterwarf, hob sie mangels Zeit nicht mehr auf.
Es wurde still in der Blutkonservenkammer. Man hörte noch einige Zeit das Klackern der Schuhe von Schwester Hannah, doch dieses verhallte schnell. Leicht schwappte das rote Nass noch in seinem Plastiksack umher. Die flackernde Leuchtstoffröhre schaltete sich nach zwei Minuten automatisch wieder aus. Es dauerte zwei lange Tage, bis jemand erneut den Raum betrat.
In diesen zwei Tagen begann die runter gefallene Blutkonserve zu arbeiten. Sie kaufte sich einen richtigen Kittel, einen weißen natürlich. Von Bewerbungsunterlagen sah die Krankenhausleitung ab. Sie begründete ihre Entscheidung damit, dass bei einer Blutkonserve als Mitarbeiter alles „ein bisschen anders“ liefe. Sehr Stolz erzählte die Blutkonserve den anderen Blutaufbewahrern von ihrer ersten eigenen Arbeitsstelle. Während alle anderen Konserven beeindruckt waren, schien das alte EKG-Gerät, das etwas abseits im Raum stand, genervt zu sein.
Die Blutkonserve, sie hatte inzwischen 35 Jahre gearbeitet, war alt und klumpig geworden. Austrocknen konnte sie nicht, aber sie stank. In Rente wollte sie nicht gehen, aber sie musste.
Sie wollte ihre Geschichte aufschreiben. Als erste Blutkonserve, dachte sie sich, hätte sie gearbeitet. Einen Moment hatte sie sich hinlegen wollen, da ging die Tür des Blutkonservenraums auf. 25 Kinder kamen herein. Alle neun bis zehn Jahre alt. Begleitet wurden sie von einem Lehrer und einem Arzt, welcher normalerweise Augen behandelte. Aber heute war Wandertag und die Klasse 4c besuchte das alte Sanatorium. „So, das ist also die Blutkonservenkammer. Wenn wir Blut brauchen, dann holen wir es von hier. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn im OP das Blut ausgeht.“ Der Augenarzt durchschritt als einziger den Raum, die Kinder mussten bei der Tür stehenbleiben. Auf einmal erschrak der Arzt. „Eine 35 Jahre alte B-rhesus-negativ-Konserve, wie kann das sein? Die muss gleich weg.“ Der Arzt überlegte kurz, dann bekam er einen Gedanken. „Will jemand von euch Grundschülern eine Blutkonserve ins Klo schütten?“ Der Arzt glaubte, es sei für einen Viertklässler ein einzigartiges Erlebnis, altes Blut wegzukippen. Und tatsächlich, fast alle Schüler rissen sich um die Pflicht als Entsorger. Ausgewählt wurde jedoch der kleine Jonathan. „Geil, Blut zum Wegkippen“, sagte dieser. Der Augenarzt, Viktor Raddert war sein Name, wollte gerade erklären, wie Jonathan die Tüte öffnen soll, da hat dieser die Blutkonserve aufgefetzt. Die rote Suppe spritzte umher, dicke Klumpen flogen auf alle Schüler, selbst dem Lehrer flogen zwei Blutpfropfen in seine Nase.
Ein lautes Geschrei erfüllte den ganzen Westflügel des Sanatoriums. Eilig holte der Arzt Küchenpapier, mit dem sich alle säubern sollten. Doch das Blut stank beißend nach altem Unrat.
Das Blut hatte eine außergewöhnliche Wirkung, denn es veränderte einige der Anwesenden.
Jonathan zum Beispiel war nicht mehr. Der Augenarzt war nun nur noch zu Hälfte da. Der Lehrer war etwas größer als zuvor und alle anderen Mitschüler von Jonathan waren aus Ekel vor die Tür gerannt. Hier haben sie gewartet, bis ihre Erziehungsberechtigten sie abholten. Der halbe Augenarzt wollte gerade noch mit der Mutter eines Kindes reden, da verlor er wieder eine Hälfte, er war nur noch ein Viertel. Und dieses Viertel, ehemals Viktor Raddert, hatte sich sehr sehr schlecht gefühlt. Es ging wieder in den Blutkonservenraum und schloss die Tür hinter sich. Auf einmal hatte es wieder eine Hälfte verloren, der ehemalige Arzt war nur noch ein Achtel. Es sammelte das verspritze Blut mit einem Minisauger auf, die Blutpropfen konnte es so greifen und gab sie in den Müll. Das Achtel sprach nicht. Zum Schluss haben die Reste der alten Blutkonserve das alte, auf Rollen bewegliche EKG-Gerät dazu bringen können, das Achtel anzufahren und an die Wand zu drücken. Dort teilte sich das Achtel immer weiter, während es an der Wand klebte.

Kommentare

Sawd el abn Kassif hat gesagt…
Das Verstehe Ich Nicht!
Das Ist Von Keinem Zu Verstehen!
Diese Geschichte Ist Unsinn!
Der Zauberlehrling hat gesagt…
Was ist daran nicht zu verstehen, Sie Mohameddaner?
Imren Kisildiz hat gesagt…
Die Bezeichnung "Mohammedaner" ist in von Nichtmuslimen verwendeter Begriff für Muslime. Wahrscheinlich entstand er in Anlehnung an den Begriff "Christen", die Christus anbeten. Daher wird von vielen Muslimen abgelehnt, da der Begriff den Eindruck erweckt, Prophet Muhammad (s.) stünde vor Gott im Zentrum des Islam, der hingegen beansprucht einen reinen Monotheismus darzustellen. Im Persischen ist der Begriff "mohammadi" jedoch durchaus gebräuchlich und bezeichnet einen Anhänger des Propheten Muhammad (s.) und damit einen Muslim. Aufgrund der starken Missverständlichkeit im Deutschen, wird aber vor der Verwendung des Begriffs "Mohammedaner" abgeraten, zumal Muslim die von allen Muslimen akzeptierte Bezeichnung ist.
KREMfreund_01 hat gesagt…
Toll Abgeschrieben!
Bretto Parsons hat gesagt…
@Der Zauberlehrling: I like!
Wilhelm Brannt hat gesagt…
Werte Leser,
versuchen Sie doch einmal, diese Geschichte zu interpretieren. Diese ewigen Diskussionen um Islamisten, Terroristen und was sonst noch östlich des Bosporus herumläuft, wird langsam ermüdend.
Anonym hat gesagt…
Da fühlt sich aber jemant besser als die "gemeinen Leser".
Christoph Teusche hat gesagt…
Herr Brannt, ich halte das für eine ausgezeichnete Idee – ich fürchte nur, sie überfordern Menschen, die mit Literatur weniger zu tun haben. Geben Sie doch mal einen Interpretationsansatz, mit dem die Leser "spielen" können!
Wilhelm Brannt hat gesagt…
Sehr geehrter Herr Teusche,
ich denke, Sie haben Recht!

Wie könnte man diese Geschichte also deuten? Ich denke, wenn man einmal ganz genau hinschaut, entpuppt sich das Geschriebene als eine so genannte "Nichtgeschichte". Warum "Nichtgeschichte", wird sich der eine oder andere fragen. Man nehme den "Althäuser", ein Standardwerk für Germanisten und Interessierte. Dieser gibt Antwort auf Seite 17, wo es heißt: "Der Begriff Nichtgeschichte stammt aus der Literaturkritik des frühen 19. Jahrhunderts und beschreibt ein Gleichnis, daß durch seine Stringenz und kompromisslose Schreibart, wenngleich (...)" ich habe den Rest des Artikels weggelassen, um die Antwort nicht vorweg zu nehmen.
Ich hoffe, ein paar leere Schädel wurden durch das von mir Geschrieben mit etwas Substanz angefüllt. Wäre dies der Fall, könnten sie nun vielleicht etwas damit anstellen
Ullstein hat gesagt…
Mir kommt das wie eine Heiligenparabel vor, nur daß hier das Blut selbst tätig wird. Das Blut emanzipiert sich gewissermaßen vom Menschen.
Utz Weigel hat gesagt…
Ja, und dadurch wird der Notstand im hiesigen Sozialsystem in Frage gestellt! Ein genialer Text!

gez. WEIGEL
Sawd el abn Kassif hat gesagt…
وأنا أفهم النص الآن، لذلك اعتقد انه الآن أيضا جيدة جدا.
Rüdiger Fahrenschon hat gesagt…
ROFL! Diese Schrift sieht aber lustig aus. Daß überhaupt irgendjemand das lesen kann, finde ich sehr erstaunlich :)

Grüße nach Lustigeschriftistan :)
@Sawd: Das ist nur Spaß! Nicht zu ernst nehmen, mein Lieber :-)
Sawd el abn Kassif hat gesagt…
عليك أن تكون سحقهم. وهذا أمر مؤكد.
Christoph Teusche hat gesagt…
Rüdiger, da du den Past ja so abgekanzelt hast, fände ich es fair, wenn wir auch Herrn Kassif nahelegen, deutsch zu schreiben, was meinst du?
spacegirl_324 hat gesagt…
will einer heute vllt mit mir chatten ???? bin voll allein :(:(:(
KREMfreund_01 hat gesagt…
Bist du sicher das du mit den chatten willst? Die Meisten sind entweder Nerds oder 50 jährige Maurer. Kuck dir doch an was die schreiben.
Lonely_Maurer_50 hat gesagt…
Entschuldige mal, hast du irgendwas gegen Maurer?
KREMfreund_01 hat gesagt…
Ruhig Brauner!
Lonely_Maurer_50 hat gesagt…
Pass auf was du sagst!
Christoph Teusche hat gesagt…
So, jetzt ist aber mal Ruhe im Karton! Ihr entschuldigt euch jetzt, sonst muß ich euch leider ermahnen!
KREMfreund_01 hat gesagt…
Er hat angefangen!
Lonely_Maurer_50 hat gesagt…
Ne du hast angefangen!
KREMfreund_01 hat gesagt…
Ne du hast angefangen!
Christoph Teusche hat gesagt…
Mein lieber KREM-Freund, du hast angefangen! Also reiß dich jetzt zusammen, oder ich nenne deinen Klarnamen!
KREMfreund_01 hat gesagt…
Woher willst du wissen das ich angefangen habe, du warst doch nicht dabei?
Bretto Parsons hat gesagt…
http://tinyurl.com/2ggko9
Christoph Teusche hat gesagt…
Also, Spacegirl, wenn Sie jetzt immer noch Lust zu chatten haben – nur zu!
spacegirl_324 hat gesagt…
na inzwischen habe ich gechattet. ich schreibe solche aufrufe ja nicht ohne grund und überall hin.
spacegirl_324 hat gesagt…
du affe, Christoph Teusche!

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