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Das ist das Vogtland

Pistazjo war handwerklich geradezu begnadet. Was auch immer repariert, geflickt oder gebaut werden musste, Pistazjo hat es selbst gemacht. Sogar das alte Haus im Vogtland, das er für seine Familie gekauft hatte, hat er komplett selbst saniert und renoviert. Was jedoch noch fehlte, war ein Balkon. Das Haus hatte keinen Balkon. Da das Gebäude nicht unter Denkmalschutz stand, war eine solche bauliche Veränderung wenig problematisch. Auch dieses wollte Pistazjo wieder alleine in Angriff nehmen. Jamelia, seine Frau, hatte große Zweifel daran, dass er es schaffen würde. Nachdem sie sich aber bewusst machte, was Pistazjo schon alles gebaut hatte, war sie doch einverstanden.

Nach 3 Monaten war der Balkon nun fertig. Pistazjo, Vater von sieben Kindern, war äußerst stolz auf sein Werk. „Wer von euch Rackern will denn mal probeweise, so als allererster, auf den Balkon gehen?“, fragte er seine Kinder. „Ach was, wisst ihr, geht doch alle zugleich auf den Balkon, dann gibt es keinen Streit darüber, wer zuerst darf und wer noch warten muss.“
So gingen nun alle Kinder, nacheinander, gut gelaunt auf den Balkon. Nur Pistazjo stand fröhlich im Haus. „Ich mach auch mal probeweise die Tür zu“, sagte Pistazjo – Dann geschah es. Auf einmal krachte es laut, da brach die linke Seite des Balkons weg. Pistazjo versuchte verzweifelt die Balkontür zu öffnen, da brach auch die zweite Seite weg und die Kinder rasten samt Balkon Richtung Erdboden. Die Tiefe des Sturzes betrug 25m. Pistazjo rannte die Treppen seines Hauses so schnell herunter, wie er nur konnte, dann stürmte er aus der Haustür, um das Haus herum. Er hatte mit dem Schlimmsten gerechnet, als er zu seinen Kindern kam. Doch die Kinder waren alle gesund. Sie winkten ihm allesamt freudig zu, denn sie waren auf die „weichen Kissen“ gefallen. Überglücklich nahm er seine Kinder in die Arme, jedes einzeln. Wo die „weichen Kissen“ herkamen, fragte er sich jedoch. Am Abend, als seine Frau aus Plauen wiederkam, erzählte er ihr von dem Unfall. Sie verzog kein Gesicht, dann fing sie sogar an, leise zu kichern: „hihihi“. „Wie kannst du darüber lachen, Jamelia?“ Pistazjo war außer sich. „Ich habe einen völlig instabilen Balkon gebaut und alle meine sieben Kinder probeweise raufgeschickt. Sie sind nur knapp dem Tod entgangen, wären da nicht die „weichen Kissen“ gewesen. Wie kannst du da lachen?“ Jamelia antwortete: „Pistazjo, mir war von vorne rein klar, dass dein Balkon auf keinen Fall halten würde. Du bist zwar handwerklich begabt, aber das war wohl eine Nummer zu groß für dich. Außerdem war mir auch klar, dass du alle unsere Kinder zugleich auf den Balkon schicken würdest, da du unsere Kinder immer nur zu siebent, immer nur als Gruppe, behandelst. Und bei einem solchen Gewicht konnte der Balkon nicht halten. Deshalb habe ich die „weichen Kissen“ ausgelegt. Es konnte also nichts passieren.“ Pistazjo war erleichtert. Er wollte seine Frau gerade küssen, da fuhr sie fort: „Außerdem könnte man auch sagen, dass ich den Balkon angesägt, manipuliert habe. Nachdem ich nämlich die „weichen Kissen“ ausgelegt hatte, habe ich gesehen, wie erstaunlich stabil der Balkon doch gebaut war. Er hätte wahrscheinlich doch gehalten. Also kam ich mit allerlei Werkzeug, um den Balkon so instabil wie möglich zu machen.“ Pistazjo wusste nicht so recht, was er sagen sollte. „Ich finde toll, dass du die „weichen Kissen“ ausgelegt hast, aber dass du den Balkon manipuliert hast, ist unverantwortlich. Wieso hast du das überhaupt gemacht?“ „Naja“, sagte Jamelia mit weit aufgerissenen Augen, „wären unsere sieben Kinder nicht gestürzt, dann hätte ich die Kissen ja umsonst ausgelegt und das...“ Jamelia konnte den Satz kaum beenden, da kamen alle sieben Kinder in das Wohnzimmer, wo sich das Elternpaar befand, hinein gerannt. Mutter und Vater waren erstaunt. „Jetzt wollen wir unsere Version der ganzen Geschichte erzählen!!“ riefen die zwei ältesten Kinder. „Na da bin ich aber gespannt.“ sagte Jamelia lakonisch. Drei der Kinder setzten sich auf den Schoß von Pistazjo, zwei setzten sich auf den Schoß von Jamelia und der Rest verteilte sich regelmäßig im Raum. Dann legte der siebenjährige Max, der Älteste, los. „Papa wollte ja schon lange einen Balkon bauen, er ist dazu ja auch sicher in der Lage. Aber in den letzten drei Monaten, als Papa immer daran rum gewerkelt hat und wir zu siebent vor dem Haus saßen, um zu spielen, habe ich Papa abermals böse schimpfen und Sachen sagen gehört, wie zum Beispiel: “Haaach, diese Konstruktion wird doch nie und nimmer halten, da wird nicht mal ein Blumentopf sicher draufstehen.“ Da haben wir uns schon alle mächtig Gedanken gemacht. Deshalb haben wir auch immer gehofft, dass der Balkon nicht fertig wird oder es noch ganz lange dauert bis er fertig ist. Aber dann kam der heutige Tag. Wir wussten, dass uns Papa probeweise auf den Balkon schicken wird.“ Plötzlich brüllte der vierjährige Eugen dazwischen: „Wir haben es alle gewusst, alle. Der Balkon hätte so nie gebaut werden dürfen. Hier wurde sehr viel gepfuscht. An wen diese Kritik geht, ist hoffentlich klar.“ Da wurde Pistazjo sauer: „Eugen, wie alt bist du? Vier wenn ich nicht irre. Was willst du mir bitte über die Konstruktion eines Balkons sagen? Also, beherrsche dich!“ „Ich soll mich beherrschen?, erwiderte Eugen, „wer ist denn heute 25m in die Tiefe gefallen und hat nur dank der „weichen Kissen“ überlebt. Lass mich einfach in Ruhe, Papa!“
Max fuhr nach einer kleinen völlig stillen Pause fort: “Auf jeden Fall wussten wir alle, das mit dem Balkon etwas nicht stimmt. Und dann war es soweit. Papa hat uns probeweise auf den Balkon geschickt. Wir waren alle nervös, aber wir wussten um die Existenz der „weichen Kissen“. „Einen Scheiß wussten wir!“ schrie die kleine Lottha. Da wurde Max sauer: „Ach Lottha, hör doch auf, du wusstest doch auch von den „weichen Kissen“. Was soll das jetzt also?“
Pistazjo war irritiert: “ Ihr wusstet also, dass euch nichts passieren kann?“
Das Zimmer, in welchem die ganze Diskussion stattfand, war hell erleuchtet. Plötzlich begann ein prasselndes Geräusch an den Fenstern immer lauter zu werden. „Regnet das etwa?“ fragte Jamelia. „Ja, scheint so!“ antwortete Max. Jamelia sprang auf und lief zur Tür, „dann müssen wir rasch hinaus gehen und die „weichen Kissen“ reinholen, die werden sonst nass. Kommt alle und helft mit.“ Da machte sich ein Trott von 9 Personen auf, um die „weichen Kissen“ rein zu holen. Lustigerweise liefen alle Anwesenden zufällig der Größe nach sortiert hinaus.

Kommentare

KREMfreund_01 hat gesagt…
Nix los hier mann merkt das Sommerpause ist
Anonym hat gesagt…
Wo kriegt man denn so weiche Kissen?
Anonym hat gesagt…
ja was ist das denn? Das ist ja ganz gruselich, wie scheiße diese Geschichte ist. NIE WIEDER KREM

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