Wir befinden uns im Führerhaus von
Bernd L. Er ist Zugführer in der ExL-C6, dem neuen
Mittelgeschwindigkeits-Triebkopf für Regionalstrecken in Hessen. Ja,
wir reden hier von einem Lokführer, das mag der eine oder andere
„Zugfreund“ schon erkannt haben. L. ist bereits seit 27 Jahren
Lokführer. Aber heute hat er etwas Großes vor: Er will seiner
langjährigen Frau einen Liebesbeweis erbringen. Aber lassen wir ihn
doch selbst zu Wort kommen. „Ja, willkommen in meiner ZuG-C6, das
ist mein ganzer Stolz.“ „Aber Sie haben diese Lokomotive nicht
erfunden, oder?“ „Nein ...“ „Auch haben Sie sie nicht
gebaut?“ „Äh ...“ „Auch für den Kauf waren Sie nicht
verantwortlich?“ „Na hören Sie mal. Ich bin der Kapitän! Sage
ich jetzt mal.“ „Ist ja schon gut, ich wollte Sie nicht ärgern.“
„Herzlichen Glückwunsch, Sie haben Ihr Ziel erreicht!“ meint er
ironisch.
„Erzählen Sie mir was über Ihren ganzen Stolz!“, bitte ich Ihn, als der Zug gerade eine langgestreckte Steigung nimmt. „Ja, also dieser Zug wurde gebaut, weil die alten Züge Schrott waren.“ „Sie waren sicher schon alt, oder?“ „Von 2012. Aber die hatten keine Türen leider, das haben wir aber erst gemerkt, als wir sie schon zwei Monate hatten. Das ist keinem aufgefallen.“ „Ja, das kenne ich, manchmal steht man auf dem Schlauch, nicht wahr?“, erwidere ich spitzbübisch. „Ja, genau. Ich sage mal so, das fährt sich dann einfach schlecht, also gar nicht, weil man nicht reinkommt.“ „Ja, das habe ich schon verstanden. Und in diesem Zug wurde dieses technische Detail behoben?“ „Ja, genau. Der ist also von Microsoft.“ „Von Microsoft?“, äußere ich irritiert, während der Zug langsam den Berg herunterfährt. „Darum kann der auch so gut herunterfahren, was?“, probiere ich mich mit einem Scherz. „Das haben wir auch gesagt, ja. Nee, Scherz beiseite, die haben einfach gesagt, wir verdienen noch nicht genug Geld, also kaufen wir einen Zughersteller.“ „Gut, nachdem wir nun alle technischen Details abgefragt haben, vielleicht zu ihrer Aktion heute. Sie wollen Ihrer Frau Ihre Liebe beweisen?“ „Das habe ich nur gesagt, damit Sie mitkommen. In Wirklichkeit will ich Amok fahren.“ „Waaaas? Oh Gott!“, brülle ich wie von Sinnen. Dann fällt mir etwas ein. „Sie wissen aber schon, daß das hier ein Zug ist, oder?“ „Ja, das habe ich Ihnen doch gerade erklärt.“ „Ja – fällt Ihnen da nichts auf?“, frage ich scheinbar ahnungslos. „Ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen.“ „Naja, Ihr Aktionsradius ist ja schon eher eingeschränkt mit einem Zug. Sie können zum Beispiel nicht den Gleiskörper verlassen, da das Fahrzeug, das Sie fahren, schienengebunden ist.“ „Das wollen wir doch mal sehen ...“, meint er und sein Blick verfinstert sich. „Das wollen wir doch mal sehen … Ich bin schließlich schon eine ganze Weile Zugführer, und ich kenne alle Tricks.“ „Das glaube ich Ihnen!“, bestärke ich Ihn mit aufgesetztem Respekt, während ich, weil ich mir doch nicht so sicher bin, ob er das wirklich kann, heimlich die Polizei rufe. Als er es merkt, schleudert er mir das Handy aus der Hand, sagt aber nichts. „Sagen Sie, warum wollen Sie denn eigentlich eine Amokfahrt unternehmen? Und wer wird sterben?“ „Ich möchte meine Frau umbringen. Damals, es waren die 70er, habe ich ihren Namen angenommen. Ich hieß damals Persenko. Jetzt heiße ich L. L., wie klingt denn das?“ Er sieht mich vorwurfsvoll an. „Das … klingt doch ganz okay.“, versuche ich ihn zu beschwichtigen. „Wann haben Sie denn gemerkt, daß Sie Ihren Nachnamen hassen?“ „Das ist doch unwichtig. Ich habe nur noch eins im Kopf: TÖTEN!“, und mit diesen Worten drückt er ein paar Knöpfe und zieht ein paar Hebel. Nichts passiert. Das wundert mich, denn zumindest müßte ja irgend etwas passieren, wenn wir schon nicht entgleisen. „Nanu, das wundert mich jetzt aber“, ist auch L. ratlos. „Probieren Sie es doch noch mal!“, feixe ich, was ihn zunehmend wütend macht. Wie wild drückt er Knöpfe, zieht Hebel, drückt Knöpfe und schiebt Hebel. Während er in seiner Kanzel herumfuhrwerkt, haben wir beide nicht bemerkt, daß wir schon längst in einem Bahnhof stehen. Bundespolizisten nahen heran und treten die Tür ein. L. läßt sich nicht beirren. Er drückt und schiebt weiter. Ich öffne die Tür von innen und die Beamten treten herein. „Herr L., Sie sind vorläufig festgenommen wegen des dringenden Verdachts des Eingriffs in den Zugverkehr. Kommen Sie freiwillig mit oder müssen wir nachhelfen?“ Resigniert läßt L. von seinem Schaltpult ab. Widerstandslos läßt er sich abführen. „Oh, jetzt weiß ich, man muß auf die Windows-Taste drücken. Verdammt!“ Die Beamten sind inzwischen mit L. auf dem Bahnsteig. Deutlich sehe ich die Windows-Taste vor mir. Ich drücke sie. Der Zug beginnt zu fahren. Hinter dem Bahnhof verläßt er die Gleise. Er fährt wie auf Schienen, aber er fährt einfach vom Gleis ab. Langsam, in einem ungeheuren Wenderadius, fährt er zurück Richtung Bahnhof. Um Häuser macht er einen scharfen Bogen, er scheint fremdgesteuert. Er überquert Straßen und Plätze Menschen springen entsetzt beiseite. Unaufhaltsam bahnt sich der Zug seinen Weg. Scharf biegt er links ab. Wir sind auf der Haupt-Ausfallstraße der mittelgroßen Stadt. Der Zug beschleunigt, wir sind jetzt gut 50 km/h schnell, das zeigt jedenfalls der Tacho an. Kurz vor dem Ortsausgang biegt der Zug scharf von der Straße ab und fährt auf ein Gebäude zu. Mir ist klar, es ist das Haus der L.s. Es ist ein malerisches Haus, aus Backstein, Mitte der 90er Jahre erbaut. Kinder spielen im Garten. Ungläubig sehen sie vom Sandkastenspiel auf. Der Zug rast in das Gebäude. Ich bin sofort tot. Die im Haus befndliche Frau L. wird schwer verletzt, kommt aber durch. Außer mir kommt niemand ums Leben.
„Erzählen Sie mir was über Ihren ganzen Stolz!“, bitte ich Ihn, als der Zug gerade eine langgestreckte Steigung nimmt. „Ja, also dieser Zug wurde gebaut, weil die alten Züge Schrott waren.“ „Sie waren sicher schon alt, oder?“ „Von 2012. Aber die hatten keine Türen leider, das haben wir aber erst gemerkt, als wir sie schon zwei Monate hatten. Das ist keinem aufgefallen.“ „Ja, das kenne ich, manchmal steht man auf dem Schlauch, nicht wahr?“, erwidere ich spitzbübisch. „Ja, genau. Ich sage mal so, das fährt sich dann einfach schlecht, also gar nicht, weil man nicht reinkommt.“ „Ja, das habe ich schon verstanden. Und in diesem Zug wurde dieses technische Detail behoben?“ „Ja, genau. Der ist also von Microsoft.“ „Von Microsoft?“, äußere ich irritiert, während der Zug langsam den Berg herunterfährt. „Darum kann der auch so gut herunterfahren, was?“, probiere ich mich mit einem Scherz. „Das haben wir auch gesagt, ja. Nee, Scherz beiseite, die haben einfach gesagt, wir verdienen noch nicht genug Geld, also kaufen wir einen Zughersteller.“ „Gut, nachdem wir nun alle technischen Details abgefragt haben, vielleicht zu ihrer Aktion heute. Sie wollen Ihrer Frau Ihre Liebe beweisen?“ „Das habe ich nur gesagt, damit Sie mitkommen. In Wirklichkeit will ich Amok fahren.“ „Waaaas? Oh Gott!“, brülle ich wie von Sinnen. Dann fällt mir etwas ein. „Sie wissen aber schon, daß das hier ein Zug ist, oder?“ „Ja, das habe ich Ihnen doch gerade erklärt.“ „Ja – fällt Ihnen da nichts auf?“, frage ich scheinbar ahnungslos. „Ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen.“ „Naja, Ihr Aktionsradius ist ja schon eher eingeschränkt mit einem Zug. Sie können zum Beispiel nicht den Gleiskörper verlassen, da das Fahrzeug, das Sie fahren, schienengebunden ist.“ „Das wollen wir doch mal sehen ...“, meint er und sein Blick verfinstert sich. „Das wollen wir doch mal sehen … Ich bin schließlich schon eine ganze Weile Zugführer, und ich kenne alle Tricks.“ „Das glaube ich Ihnen!“, bestärke ich Ihn mit aufgesetztem Respekt, während ich, weil ich mir doch nicht so sicher bin, ob er das wirklich kann, heimlich die Polizei rufe. Als er es merkt, schleudert er mir das Handy aus der Hand, sagt aber nichts. „Sagen Sie, warum wollen Sie denn eigentlich eine Amokfahrt unternehmen? Und wer wird sterben?“ „Ich möchte meine Frau umbringen. Damals, es waren die 70er, habe ich ihren Namen angenommen. Ich hieß damals Persenko. Jetzt heiße ich L. L., wie klingt denn das?“ Er sieht mich vorwurfsvoll an. „Das … klingt doch ganz okay.“, versuche ich ihn zu beschwichtigen. „Wann haben Sie denn gemerkt, daß Sie Ihren Nachnamen hassen?“ „Das ist doch unwichtig. Ich habe nur noch eins im Kopf: TÖTEN!“, und mit diesen Worten drückt er ein paar Knöpfe und zieht ein paar Hebel. Nichts passiert. Das wundert mich, denn zumindest müßte ja irgend etwas passieren, wenn wir schon nicht entgleisen. „Nanu, das wundert mich jetzt aber“, ist auch L. ratlos. „Probieren Sie es doch noch mal!“, feixe ich, was ihn zunehmend wütend macht. Wie wild drückt er Knöpfe, zieht Hebel, drückt Knöpfe und schiebt Hebel. Während er in seiner Kanzel herumfuhrwerkt, haben wir beide nicht bemerkt, daß wir schon längst in einem Bahnhof stehen. Bundespolizisten nahen heran und treten die Tür ein. L. läßt sich nicht beirren. Er drückt und schiebt weiter. Ich öffne die Tür von innen und die Beamten treten herein. „Herr L., Sie sind vorläufig festgenommen wegen des dringenden Verdachts des Eingriffs in den Zugverkehr. Kommen Sie freiwillig mit oder müssen wir nachhelfen?“ Resigniert läßt L. von seinem Schaltpult ab. Widerstandslos läßt er sich abführen. „Oh, jetzt weiß ich, man muß auf die Windows-Taste drücken. Verdammt!“ Die Beamten sind inzwischen mit L. auf dem Bahnsteig. Deutlich sehe ich die Windows-Taste vor mir. Ich drücke sie. Der Zug beginnt zu fahren. Hinter dem Bahnhof verläßt er die Gleise. Er fährt wie auf Schienen, aber er fährt einfach vom Gleis ab. Langsam, in einem ungeheuren Wenderadius, fährt er zurück Richtung Bahnhof. Um Häuser macht er einen scharfen Bogen, er scheint fremdgesteuert. Er überquert Straßen und Plätze Menschen springen entsetzt beiseite. Unaufhaltsam bahnt sich der Zug seinen Weg. Scharf biegt er links ab. Wir sind auf der Haupt-Ausfallstraße der mittelgroßen Stadt. Der Zug beschleunigt, wir sind jetzt gut 50 km/h schnell, das zeigt jedenfalls der Tacho an. Kurz vor dem Ortsausgang biegt der Zug scharf von der Straße ab und fährt auf ein Gebäude zu. Mir ist klar, es ist das Haus der L.s. Es ist ein malerisches Haus, aus Backstein, Mitte der 90er Jahre erbaut. Kinder spielen im Garten. Ungläubig sehen sie vom Sandkastenspiel auf. Der Zug rast in das Gebäude. Ich bin sofort tot. Die im Haus befndliche Frau L. wird schwer verletzt, kommt aber durch. Außer mir kommt niemand ums Leben.
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