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Ein unbekanntes Tier (5/5)

Der Tag der Entscheidung brach an. Tibor war sehr nervös. Er war sich sicher: Die Wärter konnten ihm die Fluchtpläne förmlich am Gesicht ablesen. Morgens, bei der ersten Fütterung, hatte er so verdächtig zu ihm rübergesehen. Er hatte dann den Wärter bewußt ignoriert und scheinbar interessiert zu den Bonobos herübergesehen, die sich spontan entblößten. Angewidert wandte er sich ab. Bestimmt hatten die Wärter schon alle möglichen Sicherheitsmaßnahmen ergriffen. Er, nein, sie alle würden erbärmlich in die Falle laufen. Oder bildete er sich alles nur ein?
Der Tag verging quälend langsam. Hunderte Male war er den Fluchtplan durchgegangen. Es konnte nur schiefgehen, er war sich sicher. Aber vielleicht war das ja auch ein gutes Zeichen. Das hatte Zibor gesagt: Wenn man nervös sei, schärfe das die Aufmerksamkeit. Der Plan sei wasserdicht, es könne gar nichts schiefgehen.
Er ging zur Essensstelle und sah nach, ob es etwas gab, was er mochte. Ein ehrfürchtiges Raunen setzte ein, als er eintraf. Die Schimpansen hatten von seiner Rolle erfahren und waren voller Bewunderung für diesen komischen, geflügelten Nichtaffen. Sie boten ihm ihr Essen an. „Du mußt dich stärken!“, sagten sie und „Iß man, gefiederter Freund!“. Also aß er, er probiete viele neue Sachen aus und staunte über die Vielfalt des Primaten-Speiseplans.
Der Abend rückte näher. Noch standen zwei Besucher vor dem Gehege. Ein kleiner mit piepsiger Stimme erzeugte mit einem kleinen viereckigen Gegenstand ein grelles Licht, lachte und zog dann seinen ausgewachsenen Begleiter mit sich fort. Ein paar Schimpansen setzten sich auf die Tür, um ein letztes Mal ihr Glück des Weitscheißens zu versuchen. Dann schloß der Zoo, gut hörbar durch einen dumpfen Gong. Die Affen brachten sich in Position. Die Rebellen standen aufgereiht und fletschten die Zähne. Die meisten hatten Glücksbringer, meist Essensreste, Stöcke oder versteinerte Exkremente. Sie hielten sie fest in der Hand. Die Rebellen waren ein obskurer Haufen. Tibor stand direkt neben der Tür und ging das letzte Mal seinen Fluchtplan durch.
Dann öffnete sich die Tür. Zwei Wärter kamen herein. Einer hatte einen Behälter mit Futter in einer Schubkarre und brachte ihn zum Essensplatz, der andere blieb in der Tür stehen und sah die aggressiv dreinblickenden Affen prüfend an. Tibor dachte nicht lange nach. In einem unbeobachteten Moment flutschte er zwischen Wärter und Tür in den Raum. Der Wärter drehte sich um und lief ihm hinterher. Er war sehr schnell. Tibor konnte den Knopf sehen, aber er war zu weit entfernt, als daß er zu ihm gelangen konnte, bevor der Wärter ihn erreichte. In der nächsten Sekunde ergriff ihn der Wärter bei den Flügeln und ob ihn hoch. Tibor begann wie wild, auf die ihn umfassenden Arme einzuhacken, er hackte wie besinnungslos, er zog an den Fingern, er bohrte tiefe Löcher in des Wärters Hände. Der Wärter schrie vor Schmerz, ließ ihn los und rannte zur zweiten Tür. Tibor flatterte hinterher. Der Wärter öffnete die Tür und warf sie hinter sich zu. Tibor hatte seinen Schnabel in den Türzwischenraum gesteckt und merkte nun, daß er mit ihm sehr wohl Schmerz empfinden konnte. Es machte ein häßliches Geräusch, und er hatte das Gefühl, den Schnabel nicht mehr öffnen zu können. Aber die Tür blieb offen. Er drückte dagegen, und sie öffnete sich weiter. Schon kamen die ersten Schimpansen durch die erste Tür gerannt. Tibor lief, so schnell er konnte, Richtung Ausgang. Er sah die Kastanie. Er hörte hinter sich die anderen. Er spürte starken Schmerz im Schnabel, der sich langsam auf den gesamte Körper ausbreitete. Er merkte, wie Blut an ihm heruntertropfte. Jetzt war er beinahe beim Ausgang. Nur noch gut zehn Meter. Längst stand das Tor auf, die Schimpansen waren alle an ihm vorbeigerannt. Aber sie warteten auf ihn. Er merkte, wie sie entsetzt in seine Richtung starrten. Er mußte wirklich schlimm aussehen. Plötzlich fingen sie an, zu schreien und kurz darauf auseinanderzustieben. Er sah sich um. Zehn Wärter liefen hinter ihm her, auch der, den er verletzt hatte. Einer hatte ein langes Etwas in der Hand, das in seine Richtung zeigte. Ein lautes Geräusch ertönte. Dann war alles still.

Kommentare

Kakke Haissen hat gesagt…
Boah so nen scheiß Ende.
Lasse Kaiken hat gesagt…
Echt mal, da baut man eine Geschichte mo-na-te-lang (oh, Verzeihung, ich bin Deutschlehrer), ich wiederhole m-o-n-a-t-e-l-a-n-g, also über mehrere Monate auf, und dann das!
Ida Schöbel hat gesagt…
Lieber Herr Kaiken, müsste nicht nach "Monate" ein Komma kommen? P.S.: Narnia aus der Parallelklasse findet Sie gut (hat sie mir erzählt)!
Narnia Christoffersen hat gesagt…
Find ich gar nicht!
Barbara Weiße hat gesagt…
Wie kann man nur Tiere essen?
Benjamin Peschel hat gesagt…
@Barbara Wie kommen Sie darauf?
Figur von Mensch hat gesagt…
Extrem schlechtes Ende! Warum müsst ihr eure Geschichten immer so "versanden" lassen??? Tut mir einen Gefallen und schreibt einmal 'ne richtige Geschichte.

Übrigens: euer beschissenes KREM-App hat mein Smartphone völlig zerstört. Sofort nach dem download hatte ich tausend Viren und immer, wenn ich es gestartet habe, öfnnete sich automatisch der "Online-Friedhof"? Und irgendwann hat mein Handy sich selbst entzündet...Ich will Schadensersatz von euch haben!
Christoph Teusche hat gesagt…
Sehr geehrter Herr ... wie auch immer Sie in echt heißen, leider muß ich Ihnen mitteilen, daß Sie einem Irrtum aufgesessen sind: Es gibt keine KREM-App! Daher können wir auch keine Verantwortung für den Schaden übernehmen, den Ihr Telefon erlitten hat, getreu dem Motto: "Wir können keine Verantwortung für den Schaden übernehmen, den Ihr Telefon erlitten hat."

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