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Die Mär vom Steuer-Mann (2/6)

Die Tage gingen ins Land, Herr Schüttler war inzwischen dazu übergegangen, die graue Flüssigkeit doch zu konsumieren, und nach ein paar Tagen hatte er anschließend auch keine Bauchschmerzen mehr. Wie gern wäre er jetzt an seinem gemütlichen Arbeitsplatz bei seinen Steuern. Das war etwas, was er konnte, er wurde dafür gut bezahlt, und über die Jahre hatte er sich auch angewöhnt, diese Tätigkeit zu mögen.
Um die Zeit totzuschlagen, begann er nach zwei Monaten, sich ein Steuersystem für das Königreich Anhalt-Zerbst auszudenken.
Sein erster Entwurf war ganz einfach: Besteuert wurde jeweils jeder hundertste verdiente Taler mit zehn Talern, jeder tausendste zusätzlich mit hundert Talern und jeder zehntausendste mit tausend Talern, so daß, wer die unglaubliche Summe von zehntausend Talern verdiente, dreitausend Taler Steuern zahlen mußte. Das war immer noch weniger als zu heutiger Zeit, bedeutete aber zu der Zeit, in der er sich befand, eine Revolution. Doch ihm kamen immer neue Einfälle: Er mußte natürlich auch den Reichtum besteuern, da der Adel ja nicht nur Einkommen aus Leibeigenschaft erzielte, sondern ja qua Geburt vermögend war. Der Adel mußte natürlich in seinem System auch Steuern zahlen.
In wochen- wenn nicht monatelanger Arbeit erarbeitete Joachim Schüttler Schritt für Schritt ein gerechtes Steuersystem, das seinesgleichen suchte, nicht nur in der damaligen, sondern auch in der heutigen Zeit. Es enthielt Steuerfreibeträge, die unbillige Härten abfederten, setzte Anreize durch sozial-ökologische Subventionen und zielte gleichsam auf eine gerechte und pareto-effiziente Verteilung. Schade, daß es nie jemand erfahren würde.
Wochen später erschien eine Wache an seiner Zelle: „He da! Du mußt mitkommen! Der König will dich sehen!“ „Der König will mich sehen? Wie komme ich zu dieser Ehre?“, fragte Herr Schüttler. „Schweig still“, entgegnete die Wache und knuffte ihn. „Der König wird schon einen Grund haben. Belüge ihn nicht! Er ist sehr weise! Und jetzt vorwärts!“ Die Wache schubste ihn vor sich her. Angstvoll, aber gleichzeitig neugierig stieg er die Treppe hinauf, die in das Erdgeschoß des Verwaltungsgebäudes führte. Dort wurden ihm ein Lappen und ein Tuch gegeben. Er sollte sich für seine Audienz beim König reinigen. Der König konnte Schmutz nämlich nicht ausstehen.
Schließlich gingen sie zum Schloß. Es war nicht so prächtig, wie Joachim Schüttler es sich vorgestellt hatte. Drinnen war es recht dunkel, in den Fluren zog es und war kalt. Er wurde in einen großen Raum geführt, in dem eine Handvoll anderer Personen, die einfach gekleidet waren, auf dem Boden saßen und warteten. Einige tuschelten leise. Im ganzen Raum brannten Petroleumlampen. Ihm wurde angedeutet, daß er sich setzen solle. Kurze Zeit später erschien ein in ein grünes Gewand gekleideter junger Mann, der mit einer Fistelstimme rief: „Der König kommt!“ Dann fiel er zu Boden. Der König kam herein. Er sah ernst aus. Der grüngewandete Mann sprang auf und küßte ihm die Hand. Dann verschwand er. Nun standen auch die anderen Personen im Raum auf, Joachim Schüttler tat es ihnen gleich.
„Liebe Untertanen! Ich hoffe, ihr hattet eine angenehme Anreise? Ist es warm genug? Soll ich den Diener schicken, zu heizen? Nein? Hat jemand Hunger? Keiner?“ Der König sah sich im Raum um und erwartete eine Reaktion. Aber alle Untertanen blickten nur schüchtern zu Boden. „Ihr traut euch nicht, nicht wahr? Grundgütiger, was hat man euch nur über mich erzählt? Ich tue euch nichts. Ich bin euer König! Sagt, was habt ihr auf dem Herzen? Diener!“ Ein Diener erschien mit einem Buch und las daraus vor: „Christopherus Schlagthodt aus Jerichow hat ein Problem mit seinem Hühnerhof!“ „Er möge vortreten und sprechen!“, gemahnte der König.
Ein hagerer Mann etwas hinter ihm stand auf und fing an zu sprechen. „Eure Hoheit! Danke, daß ihr mir die Möglichkeit gebt, bei euch vorzusprechen!“ „Christopherus, was ist dein Problem?“, fragte der König besonnen. „Letztes Jahr ist mein Hühnerstall bei einem Gewitter abgebrannt. Die Hühner sind mir verbrannt. Ich arbeite unter der Lehnsherrschaft des Mordwin Eisenbusch Graf zu Jerichow. Er hat uns zugesichert, daß er uns Schaden aus Naturkatastrophen ersetzt. Daran vermag er sich aber jetzt nicht erinnern. Einen Lügner hat er mich gescholten! Obendrein fordert er sein Lehen in unveränderter Höhe. Ich habe eine Familie zu ernähren, eure Hoheit! Was soll ich nur tun?“
Mordwin Eisenbusch, dieser Schuft! Ich kenne ihn! Er ist ein rechter Menschenhasser! Laß das nur meine Sorge sein, Christopherus! Geh du nur heim und sage deiner Familie, alles wird gut. Deinem Graf werde ich die Flötentöne beibringen! Der nächste!“

Die nächste war eine Frau, die eine schlimme Krankheit hatte, deswegen war sie verstoßen worden und litt nun bittere Armut. Sie bekam vom König etwas Geld zugesprochen. Einer nach dem anderen brachte sein Problem vor, und der König hatte für jeden eine Lösung.
Langsam leerte sich der Saal. Joachim war klar, daß er der letzte sein würde. Er hatte Angst. Dieser König schien ja im Grunde ganz nett zu sein, aber er konnte es ihm auch nicht verübeln, wenn er Joachim der Lüge bezichtigen würde, denn die Zeitreisegeschichte klang hanebüchen, selbst für Menschen der Gegenwart wäre sie unglaubhaft gewesen. Aber es half nichts, er konnte jetzt nicht einfach etwas anderes behaupten als den Wachen gegenüber, denn sonst hatte er gleich wieder ein neues Problem.
Schließlich war er an der Reihe.
„Diener!“
„Eure Hoheit, der letzte heute ist Joachim Schüttler, er sitzt bei uns im Kerker. Er behauptet allen Ernstes, aus der Zukunft zu sein, hat man so was schon gehört?“

Kommentare

Gerda Batman hat gesagt…
Jetzt tragen Sie aber doch etwas dick auf! Außerdem gibt es einige historische Ungenauigkeiten zu beklagen, wenn nicht Unmöglichkeiten. Man fragt sich: Recherchieren Ihre Redakteur/innen überhaupt?
Otto Breichsacher hat gesagt…
Sagen Sie, sind Sie verwandt mit Batman?
Gerda Batman hat gesagt…
Nein, vielmehr entstammt mein Name aus der Sprache der Zulu. Daher auch das stumme H.
Otto Breichsacher hat gesagt…
Was denn für ein H? In Ihrem Namen gibt es kein H.
Gerda Batman hat gesagt…
Nun, es wird auch nicht mitgeschrieben.
Mordwin Eisenberg hat gesagt…
Mordwin Eisenbusch, als ob jemand so heißen würde!

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