Die
Tage gingen ins Land, Herr Schüttler war inzwischen dazu
übergegangen, die graue Flüssigkeit doch zu konsumieren, und nach
ein paar Tagen hatte er anschließend auch keine Bauchschmerzen mehr.
Wie gern wäre er jetzt an seinem gemütlichen Arbeitsplatz bei
seinen Steuern. Das war etwas, was er konnte, er wurde dafür gut
bezahlt, und über die Jahre hatte er sich auch angewöhnt, diese
Tätigkeit zu mögen.
Um
die Zeit totzuschlagen, begann er nach zwei Monaten, sich ein
Steuersystem für das Königreich Anhalt-Zerbst auszudenken.
Sein erster Entwurf war ganz einfach: Besteuert wurde jeweils jeder hundertste verdiente Taler mit zehn Talern, jeder tausendste zusätzlich mit hundert Talern und jeder zehntausendste mit tausend Talern, so daß, wer die unglaubliche Summe von zehntausend Talern verdiente, dreitausend Taler Steuern zahlen mußte. Das war immer noch weniger als zu heutiger Zeit, bedeutete aber zu der Zeit, in der er sich befand, eine Revolution. Doch ihm kamen immer neue Einfälle: Er mußte natürlich auch den Reichtum besteuern, da der Adel ja nicht nur Einkommen aus Leibeigenschaft erzielte, sondern ja qua Geburt vermögend war. Der Adel mußte natürlich in seinem System auch Steuern zahlen.
Sein erster Entwurf war ganz einfach: Besteuert wurde jeweils jeder hundertste verdiente Taler mit zehn Talern, jeder tausendste zusätzlich mit hundert Talern und jeder zehntausendste mit tausend Talern, so daß, wer die unglaubliche Summe von zehntausend Talern verdiente, dreitausend Taler Steuern zahlen mußte. Das war immer noch weniger als zu heutiger Zeit, bedeutete aber zu der Zeit, in der er sich befand, eine Revolution. Doch ihm kamen immer neue Einfälle: Er mußte natürlich auch den Reichtum besteuern, da der Adel ja nicht nur Einkommen aus Leibeigenschaft erzielte, sondern ja qua Geburt vermögend war. Der Adel mußte natürlich in seinem System auch Steuern zahlen.
In
wochen- wenn nicht monatelanger Arbeit erarbeitete Joachim Schüttler
Schritt für Schritt ein gerechtes Steuersystem, das seinesgleichen
suchte, nicht nur in der damaligen, sondern auch in der heutigen
Zeit. Es enthielt Steuerfreibeträge, die unbillige Härten
abfederten, setzte Anreize durch sozial-ökologische Subventionen und
zielte gleichsam auf eine gerechte und pareto-effiziente Verteilung.
Schade, daß es nie jemand erfahren würde.
Wochen
später erschien eine Wache an seiner Zelle: „He da! Du mußt
mitkommen! Der König will dich sehen!“ „Der König will mich
sehen? Wie komme ich zu dieser Ehre?“, fragte Herr Schüttler.
„Schweig still“, entgegnete die Wache und knuffte ihn. „Der
König wird schon einen Grund haben. Belüge ihn nicht! Er ist sehr
weise! Und jetzt vorwärts!“ Die Wache schubste ihn vor sich her.
Angstvoll, aber gleichzeitig neugierig stieg er die Treppe hinauf,
die in das Erdgeschoß des Verwaltungsgebäudes führte. Dort wurden
ihm ein Lappen und ein Tuch gegeben. Er sollte sich für seine
Audienz beim König reinigen. Der König konnte Schmutz nämlich
nicht ausstehen.
Schließlich
gingen sie zum Schloß. Es war nicht so prächtig, wie Joachim
Schüttler es sich vorgestellt hatte. Drinnen war es recht dunkel, in
den Fluren zog es und war kalt. Er wurde in einen großen Raum
geführt, in dem eine Handvoll anderer Personen, die einfach
gekleidet waren, auf dem Boden saßen und warteten. Einige tuschelten
leise. Im ganzen Raum brannten Petroleumlampen. Ihm wurde angedeutet,
daß er sich setzen solle. Kurze Zeit später erschien ein in ein
grünes Gewand gekleideter junger Mann, der mit einer Fistelstimme
rief: „Der König kommt!“ Dann fiel er zu Boden. Der König kam
herein. Er sah ernst aus. Der grüngewandete Mann sprang auf und
küßte ihm die Hand. Dann verschwand er. Nun standen auch die
anderen Personen im Raum auf, Joachim Schüttler tat es ihnen gleich.
„Liebe
Untertanen! Ich hoffe, ihr hattet eine angenehme Anreise? Ist es warm
genug? Soll ich den Diener schicken, zu heizen? Nein? Hat jemand
Hunger? Keiner?“ Der König sah sich im Raum um und erwartete eine
Reaktion. Aber alle Untertanen blickten nur schüchtern zu Boden.
„Ihr traut euch nicht, nicht wahr? Grundgütiger, was hat man euch
nur über mich erzählt? Ich tue euch nichts. Ich bin euer König!
Sagt, was habt ihr auf dem Herzen? Diener!“ Ein Diener erschien mit
einem Buch und las daraus vor: „Christopherus Schlagthodt aus
Jerichow hat ein Problem mit seinem Hühnerhof!“ „Er möge
vortreten und sprechen!“, gemahnte der König.
Ein
hagerer Mann etwas hinter ihm stand auf und fing an zu sprechen.
„Eure Hoheit! Danke, daß ihr mir die Möglichkeit gebt, bei euch
vorzusprechen!“ „Christopherus, was ist dein Problem?“, fragte
der König besonnen. „Letztes Jahr ist mein Hühnerstall bei einem
Gewitter abgebrannt. Die Hühner sind mir verbrannt. Ich arbeite
unter der Lehnsherrschaft des Mordwin Eisenbusch Graf zu Jerichow. Er
hat uns zugesichert, daß er uns Schaden aus Naturkatastrophen
ersetzt. Daran vermag er sich aber jetzt nicht erinnern. Einen Lügner
hat er mich gescholten! Obendrein fordert er sein Lehen in
unveränderter Höhe. Ich habe eine Familie zu ernähren, eure
Hoheit! Was soll ich nur tun?“
Mordwin
Eisenbusch, dieser Schuft! Ich kenne ihn! Er ist ein rechter
Menschenhasser! Laß das nur meine Sorge sein, Christopherus! Geh du
nur heim und sage deiner Familie, alles wird gut. Deinem Graf werde
ich die Flötentöne beibringen! Der nächste!“
Die
nächste war eine Frau, die eine schlimme Krankheit hatte, deswegen
war sie verstoßen worden und litt nun bittere Armut. Sie bekam vom
König etwas Geld zugesprochen. Einer nach dem anderen brachte sein
Problem vor, und der König hatte für jeden eine Lösung.
Langsam
leerte sich der Saal. Joachim war klar, daß er der letzte sein
würde. Er hatte Angst. Dieser König schien ja im Grunde ganz nett
zu sein, aber er konnte es ihm auch nicht verübeln, wenn er Joachim
der Lüge bezichtigen würde, denn die Zeitreisegeschichte klang
hanebüchen, selbst für Menschen der Gegenwart wäre sie unglaubhaft
gewesen. Aber es half nichts, er konnte jetzt nicht einfach etwas
anderes behaupten als den Wachen gegenüber, denn sonst hatte er
gleich wieder ein neues Problem.
Schließlich
war er an der Reihe.
„Diener!“
„Eure
Hoheit, der letzte heute ist Joachim Schüttler, er sitzt bei uns im
Kerker. Er behauptet allen Ernstes, aus der Zukunft zu sein, hat man
so was schon gehört?“
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