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Die Mär vom Steuer-Mann (1/6)

Joachim Schüttler war ein einfacher Mann. Er hatte überschaubare Interessen. Als er mit der Schule fertig war, hatte er eine Banklehre gemacht. Später hatte er sich beim Finanzamt in Zeuglitz (b. Halle) beworben und bearbeitete jetzt Einkommensteuerfälle für alle Steuerpflichtigen von Schön bis Steich. So übersichtlich seine Karriere war, so simpel war auch sein Privatleben. Mit einer Ausnahme: Er interessierte sich für Zeitreisen. Er hatte schon immer davon geträumt, in ferne Zeiten zu reisen und dort Abenteuer zu erleben. Darum baute er auch schon seit langer Zeit an einer Zeitmaschine.
Er hatte in diversen Hobby-Zeitschriften gelesen, daß der Bau einer Zeitmaschine nur noch eine Frage der Zeit war. Es gab diverse Bauanleitungen, die logischerweise nie komplett waren, immer fehlten an einer Stelle notwendige Schritte. Da er so unendlich triste Lebensbedingungen hatte, vermochte er es, sich intensiver mit der Materie auseinanderzusetzen als je ein Mensch vor ihm. Er verknüpfte die diversen Anleitungen sinnvoll und baute eine Zeitmaschine. Um zu testen, ob sie wirklich funktionierte, probierte er zunächst nur einen Zeitsprung von einem Tag. Sollte irgend etwas schieflaufen, wäre ein Tag nicht so schlimm. Da bei ihm jeder Tag exakt gleich verlief (bis auf die Beschäftigung mit der Zeitmaschine), stellte er die Maschine an einem Montag auf Sonntag, denn sonntags hatten die Geschäfte geschlossen. So konnte er am leichtesten feststellen, ob die Maschine funktionierte. Er bestieg die Kapsel (es gab auch Varianten ohne Kapsel, z.B. den berühmten Stuhl aus dem Film Die Zeitmaschine, aber er hatte sich aus pragmatischen Gründen für die Kapsellösung entschieden) und schloß zitternd die Tür, öffnete sie probehalber noch einmal, schloß sie wieder und verriegelte sie. Auf dem Zeitschaltbrett wählte er als Ziel den 24. September 1991. Er drückte auf „Eingabe“. Im nächsten Moment – und nicht etwa nach sekundenlangem Gerumpel, Rauch, Blitzen und wilden Farben, wie etwa in o.g. Film suggeriert wird – stand er in seinem Keller neben der Zeitmaschine. Eine Ortsveränderung hatte also schon einmal stattgefunden. Er ging aus dem Keller hinaus in die Straße. Es war alles wie immer. Niemand war unterwegs. Krähen gaben aus der Ferne Laute von sich. Er ging zur Fußgängerzone, wo alle Geschäfte geschlossen waren. Es war also tatsächlich Sonntag. Vorsichtshalber ging er zum Busbahnhof, denn da stand eine große Informationstafel mit digitalem Fahrgastinformationssystem, das auch eine Datumsanzeige beinhaltete. Kein Zweifel: Es war der 23. September 1991! Ein ungewohnt euphorisches Gefühl bemächtigte sich Joachim Schüttlers, er mußte unwillkürlich grinsen. Er hatte gerade eine Zeitmaschine erfunden! Jetzt mußte er nur noch wieder sicher zurückkehren, ohne bemerkt zu werden. Das hätte er zwar auch auf dem Marktplatz tun können, aber er war einer, der lieber auf Nummer sicher ging. Er ging nach Hause, stellte sich im Keller neben seine Zeitmaschine und holte ein Medaillon hervor, daß er in einem Brustbeutel unter seiner Kleidung trug. Er drückte auf de Knopf in der Mitte. Im nächsten Moment befand er sich wieder in seiner Zeitmaschine. Er öffnete die Tür und stapfte nach oben ins Freie. Ein Blick auf dir digitale Anzeige am Busbahnhof machte deutlich, daß wieder Montag war. Es hatte alles wie am Schnürchen geklappt! Morgen würde er dann weiter in die Vergangenheit reisen, aber jetzt war erst mal Schlafenszeit. Er hatte heute viel erlebt und sehnte sich nach seinem Bett.

Am nächsten Tag konnte er bei der Arbeit den Feierabend kaum abwarten. Punkt 17 Uhr stand er auf, packte seinen Aktenkoffer und ging. Er hatte eine Melodie auf den Lippen, die er fröhlich summte, als er nach Hause kam. Sofort ging er in den Keller, legte seine Aktentasche auf die Arbeitsplatte seiner Werkstatt und begab sich in seine Zeitmaschine. Er vergewisserte sich, daß er das Medaillon hatte, versteckte den Brustbeutel unter seiner Kleidung, verriegelte die Tür und gab den 17. Februar 1759 als Ziel ein. Er bestätigte die Eingabe, und im nächsten Moment stand er am Waldrand und sah in der Ferne die Kirche von Zeuglitz. Joachim Schüttler hatte lange über da perfekte Datum nachgedacht, und nach einer Internetrecherche hatte er eine Reihe von Tagen ausgewählt, an denen es zu keinen bedeutenden Ereignissen gekommen war und die auch nicht in der zeitlichen Nähe solcher Ereignisse lagen. Dabei hatte er sich auf die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts konzentriert, allerdings ohne Grund, denn er interessierte sich nicht besonders für eine spezielle Epoche. Diese Zeit schien ihm aber lange genug her zu sein, um tatsächlich einen signifikanten Unterschied zum heutigen Zeuglitz festzustellen, aber noch nicht zu lange her, daß er die Leute überhaupt nicht mehr verstehen würde. Vorsichtig ging er Richtung Stadt. Seine Kleidung war zwar unauffällig, aber doch klar fremdartig für den Modegeschmack des 18. Jahrhunderts. Er trug ein dunkelgraues, kariertes Hemd und darüber einen hellgrauen Pullunder, dazu eine beigefarbene Cordhose. Die grauen Haare hatte er zu einem Seitenscheitel gekämmt. Über seine Außenwirkung hatte sich Herr Schüttler keine Gedanken gemacht, was ihm jetzt bewußt wurde. Während er noch darüber nachdachte, wie er erklären sollte, warum er so anders als alle anderen war, wurde er von zwei Wachposten bemerkt, die am Stadttor standen. Joachim mußte sich nun schnellstens etwas einfallen lassen. Unbehagen stieg in ihm auf, da er noch nie in einer vergleichbaren Situation gewesen war, und er spielte schon mit dem Gedanken, sich zwar nicht unauffällig, aber doch für sein Umfeld unerklärlich in die Gegenwart zurück zu katapultieren, aber dann faßte ein Gefühl in ihm Fuß, das er bis dato auch noch nicht gekannt hatte, nämlich Wagemut. Entschlossen ging er auf das Tor zu. „Hee da, haltet ein! Wohin des Weges?“, fragte ihn der ältere der beiden.
„Ich möchte in die Stadt!“, entgegnete Joachim Schüttler leidlich selbstsicher.
„So so“, wandte der zweite ein. Der erste hob mißtrauisch eine Augenbraue: „Merkwürdige Gewänder tragt ihr da! Ihr seid wohl nicht von hier?“
Mit Gegenfragen hatte Schüttler nicht gerechnet. „Äh … Das ist wahr! Ich komme von weit her, aus einem anderen Land!“ Ihm wurde fast schlecht vor Aufregung, der Schweiß stieg ihm ins Gesicht.
„Aus einem anderen Land, Fremder? In welchem Land gibt es solch merkwürdige Lumpen, wie ihr sie tragt?“
Joachim Schüttler beschloß, alles auf eine Karte zu setzen: „Ich bin ein Gesandter aus einer anderen Zeit! Ich komme aus der Zukunft!“
Die Wachleute sahen sich an, dann begannen sie zu lachen. Schließlich wurden sie sehr ernst und wandten sich an den Fremdling. „Hört, Fremder, mit uns ist nicht zu spaßen. Ihr seid ein Betrüger! Bestehlen wollt ihr uns, den braven Bürgern wollt ihr einen Bären aufbinden! Ergreift den Haderlumpen!“ Plötzlich kamen sechs bewaffnete Soldaten aus dem Torhaus und liefen auf ihn zu. Joachim Schüttler versuchte, sein Medaillon zu ergreifen, was aber die Irritation auf Seiten der Soldaten steigerte. Zwei zogen das Schwert, was ihn veranlaßte, von seinem Vorhaben abzusehen.
Kurze Zeit später fand er sich in einem Kerker wieder, der denen aus Erzählungen in nichts nachstand. Es gab keine Hygienevorschriften. Es roch sehr penetrant nach Urin. Auf einem Tisch stand eine Schüssel mit einer leicht grau gefärbten Flüssigkeit. Schüttler hatte Angst, davon zu probieren.
Mit der Zeit wurde es ihm bange. Wie sollte es jetzt weitergehen? Was sollte er seinen Peinigern erzählen? Sein Medaillon war bei der Festnahme beschlagnahmt worden, glücklicherweise hatte niemand den geheimen Zeitreise-Mechanismus entdeckt.

Kommentare

Ulf Weutzig hat gesagt…
Ganz ehrlich, manchmal HASSE ich unsere Leser!
Christoph Teusche hat gesagt…
Na, lieber Kollege Weutzig, das ist aber nicht die "feine englische Art". Sie können ja den Herrn Kackwitz mal fragen, was er auf dem Herzen hat.
Kerstoph Kackwitz hat gesagt…
Danke für die Mühe Herr Täusche, aber manche hier in der Redaktion verweigern sich einfach systematisch einer kritischen Diskussion, das sage nicht nur ich! Zu dem Text: Es gab Anfang der 1991 noch keine digitalen Fahrgastinformationssysteme, schon gar nicht im Osten!
Anonym hat gesagt…
gääääääääääääääääääääääääähn
Samuel Pauß hat gesagt…
Also mir gefällt es! Wie es wohl weiter geht?
Richy Stehlamp hat gesagt…
Ich weiß ja nicht, irgendwie habe ich Bauchschmerzen bei der Lektüre. Das ist halt alles so "pseudo"...
Arne Meechen hat gesagt…
Mensch Richy,
hast du IMMER noch Bauchschmerzen? Geh mal zum Arzt, echt!
Christoph Teusche hat gesagt…
Das könnten wir Ihnen natürlich sagen, aber dann würden Sie ja nicht bei der "Stange" bleiben! ;-)
Paul Akzelleratus I. hat gesagt…
Mein Urgroßvater hat die Tabelle erfunden.
Paul Akzelleratus I. hat gesagt…
Wenn ich es doch sage. Das war im Auftrag der Kirche, um besser Finanzen berechnen zu können.
Herta Keller hat gesagt…
Du mußt echt stolz auf deinen Urgroßvater sein!
Paul Akzelleratus I. hat gesagt…
Glaub mir, das bin ich!
Rönch Laufschmühener hat gesagt…
Kann mir hier bitte jemand sgen, wo ich Sagbert Schmeuchel finden kann? Ich wiederhole, ich suche SAGBERT SCHMEUCHEL. Angeblich hat der zusammen mit Zonte von Mott und Miller Mülch mein Auto gestohlen. Ich bin dankbar für jeden Hinweis. Bares gibt's auch.
Ola Schuppwitz hat gesagt…
Wir haben dein Auto. Morgen abend fahren wir damit. Es wird uns Spaß machen. Ha Ha Ha!
Richy Stehlamp hat gesagt…
Sorry, daß ich micht mehr gemeldet habe. Ich hatte tatsächlich ne Blinddarmreizung, die sich zu einer "richtig schönen" Blinddarmentzündung ausgebildet hat. Hatte letzten Mittwoch dann die Operation, bin jetzt wieder fit. Haste Bock auf ein Bier mit Ecki, Matze und den Jungs? Hab voll auf Schlammbowle, wie früher... :)
Saskia Wuchtpapier hat gesagt…
Gib ihm das Auto wieder, okay? Sonst töt ich dich!
Rüdiger Fahrenschon hat gesagt…
Liebe Saskia,
schön, daß du dich für Rönch einsetzt! Dennoch muß ich dich bitten, Morddrohungen privat zu übermitteln. DER KREM versteht sich als online-Magazin, nicht als online-Mord-Magazin. Bitte hab Verständnis dafür, ich sitze als stellvertretender Chefred. auch ein bisschen "zwischen den Stühlen", wenn du verstehst.

Die Redaktion DERKREM
Saskia Wuchtpapier hat gesagt…
Okay, verstanden! :-)
Götz Baufix hat gesagt…
Wahnsinn! Schreibt weiter, bitte!
Paul Akzelleratus I. hat gesagt…
Die Diskussion hat sich irgendwie "totgelaufen".
Rertopf Schuppwitz hat gesagt…
Ah, war das schön gestern, die Autofahrt!
PS: Hör auf, meine Freundin zu bedrohen, sonst gehe ich zur Polizei!
Arne Meechen hat gesagt…
Na aber! Solange es alkoholfrei ist ;-) (du weißt, unsere Leberwerte ...)
Christoph Teusche hat gesagt…
Also ... äh ... inzwischen ist Teil II erschienen!
Klaus Zumklaus hat gesagt…
Na sa-gen Sie mal! Was nehmen Sie sich denn heraus! Un-ver-schämt-heit!
krem_freund01 hat gesagt…
lol Klaus bist du Deutsch Lehrer?
Klaus von Klaus und Klaus hat gesagt…
Herr Zumklaus,
wir, Klaus & Klaus, verwarnen Sie wegen Ähnlichkeit Ihres (offensichtlich unechten) Namens mit dem Namen unseres Ensembles!
der andere Klaus von Klaus und Klaus hat gesagt…
Moment mal, was, wenn der Name doch echt ist?
der ehemalige Klaus von Klaus und Klaus hat gesagt…
Das ist doch absurd?
Klaus & Klaus Offiziell hat gesagt…
Sehr geehrte Redaktion DER KREM,
bitte teilen Sie uns die IP-Adressen der vorangehenden Kommentierenden mit. Es handelt sich bei diesen Kommentaren um Urkundenfälschung, Amtsanmaßung sowie Verstoß gegen das Urheberrecht!

Mit freundlichen Grüßen

Carl-Otto Zeiß
Zeiß Krone Sözer Rechtsanwälte

i.V. des Mandanten Klaus & Klaus Musikunterhaltungs GmbH

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