„Tritt
vor, Joachim!“, befahl der König.
Joachim
stand auf, und begab sich zu der Stelle, an der die anderen Leute
gestanden hatten. Er vermied es, den König anzusehen, stattdessen
hielt er den Kopf leicht gebeugt.
„Du
bist also aus der Zukunft?“, fragte der König.
Joachim
bekam weiche Knie. „Ähm … Es … Also …“
„Hast
du eine Geisteskrankheit? Ist dir die Zunge gelähmt?“
„So
so …“ Der König erhob sich und lief durch den Raum. „Diener!“
- „Eure Hoheit?“ „Hole mir den Schneider her, ebenso den
Bader!“ „Sofort, eure Hoheit!“ Der Diener machte einen Diener
und verschwand. Der König widmete sich wieder seinem Gast. „Aus
welcher Zukunft kommst du? Welches Jahr schreibt man in deiner
Zukunft?“
Joachim
hatte das Gefühl, daß das Gespräch einen Verlauf nahm, der ihm
möglicherweise zugutekam. Dennoch war er so angespannt, daß er erst
ein paar Sekunden nachdenken mußte, in welchem Jahr er denn
eigentlich gelebt hatte. Gleichzeitig lähmte ihn der Gedanke, daß
der König jegliches Zögern womöglich als Lüge wertete.
„Ich
… komme aus dem Jahr … 1991!“
„1991
… also MCMXCI … hm …“ Der König dachte nach. Joachim
überlegte, wie der König den Wahrheitsgehalt dieser Aussage
überprüfen wollte. Ihm fiel plötzlich ein, daß er vielleicht
durch Wissen über bald geschehende Ereignisse zumindest seine
generelle Fähigkeit zum Zeitreisen unter Beweis stellen konnte.
Allerdings hatte er ja mit 1759 extra ein Jahr gewählt, in dem nicht
viel passiert war. Er hätte das alles doch besser planen sollen!
Während er noch nachdachte, ob ihm nicht doch irgend etwas einfiel,
das passieren würde, kam der Diener zurück, und er brachte den
Schneider und den Bader mit.
„Eure
Hoheit, der Schneider Radelitz und der Bader Burich.“ Die beiden
machten einen Diener. „Seid gegrüßt, ihr Lieben! Ich bin euch
sehr dankbar, daß ihr kommen konntet“, sagte der König. „Wir
haben hier einen Fremdling aus der Zukunft, das ist es jedenfalls,
was er behauptet. Schneider Radelitz – überprüft doch bitte seine
Gewänder und sagt mir, ob ihr Vergleichbares schon gesehen habt!
Bader Burich – ich bitte euch, macht euch ein Bild von der
körperlichen Verfassung des Mannes. Vielleicht entdeckt ihr ein
Indiz für unsere Nachforschungen. Verzeiht, daß der Fremdling in
solch schlechter hygienischer Verfassung ist – daran trägt unser
Kerkermeister Schuld! Ich habe ihm schon oft gesagt, er möge für
eine ansprechende Hygiene der Gefangenen Sorge tragen, doch der Kerl
hat seine besten Tage hinter sich und schert sich nicht darum, was
andere sagen, und sei es der König!“
Radelitz
und Burich begaben sich zu Joachim und begannen ihn zu untersuchen.
Burich besah interessiert die Gleitsichtbrille, die Joachim trug.
Fasziniert begutachtete er den Schliff. Radelitz inspizierte mit
einer Lupe das Gewebe des Pullunders, den Joachim immer noch trug.
Fasziniert pfiff er auf. „Dieses Gewebe ist mit einer Präzision
gewebt, die ihresgleichen sucht. Selbst die fleißigen Weber von
Wermstedt vermögen nicht solch großartiges Meisterwerk zu
vollbringen! Schnitt und Farbe sind jedoch von bemerkenswerter
Abartigkeit. Ich bezweifle, daß dieses Gewand eines Menschen
Kleidung sein soll!“ Daraufhin hob Burich an: „Majestät, an der
Hygiene dieses Mannes ist nichts zu finden, außer, daß seine Zähne
in allerbestem Zustand sind. Die Gläser, die er trägt, sind mit
einer Präzision geschliffen, wie es wohl kaum eine Menschenhand
vermag! Nicht einmal die tapferen Schleifer von Wumpitz können
solche vollendete Kunst vollbringen!“
„Ich
danke euch, ihr könnt gehen! Nun, Joachim, es scheint, als könnte
deine Aussage wahr sein. Du mußt aber verstehen, daß ich nach wie
vor Zweifel habe. So sag mir doch, Joachim, was wird in der Zukunft
geschehen? Wie kommt es, daß die Webart deiner Gewänder von
unendlicher Präzision zeugt, gleichsam der Schliff deiner Brille?“
„Nun,
eure Hoheit, ich will es euch sagen“, sagte Joachim, und bemühte
sich um altmodisches Vokabular. „Das Gewand ist nicht von
Menschenhand gewebt, sondern mithilfe einer Apparatur, die dieses
automatisch erledigt. Desselbigengleichen wurde auch die Brille
mithilfe einer Apparatur geschliffen. In der Zeit, aus der ich komme,
übernehmen diese Apparate vieles: Sie ersetzen die Pferde in der
Kutsche, sie ersetzen das Feuer im Herd und sie ersetzen auch … nun
ja, alles mögliche eben.“
Der
König sagte nichts. Er wiegte den Kopf hin und her, dann richtete er
das Wort an die Palastwache. „Wache, was meint ihr? Redet der Mann
wahr?“ - „Nein, er lügt, eure Hoheit! Nehmt euch vor ihm in
acht, er führt gewiß Böses im Schilde!“ - „Was meint ihr,
Diener?“ - „Eure Hoheit, ich habe keine Meinung zu diesem
Geschehen, ich bin lediglich euer Diener!“.
Der
König dachte noch eine Weile nach, dann sprach er zu Joachim: „Es
ist mir kein Leichtes, dir zu glauben, Fremder, wenn du mir nicht
einen Beweis darbringst, den ich überprüfen kann.“
Joachim
dachte nach. Gab es denn kein historisches Ereignis, an das er sich
erinnerte?
Da
fiel ihm ein, daß er ja auch auf wissenschaftliche Erkenntnisse der
Geschichte zurückgreifen konnte, zum Beispiel ungelöste
mathematische Probleme. „Eure Hoheit! Zwar vermag ich nicht, Daten
der näheren Geschichte zu verkünden, da ich keine
Hintergrund-Informationen besitze. Allein, ich kann Euch ein
mathematisches Rätsel lösen, das zu Eurer Zeit unlösbar scheint.“
„Nun,
Fremder, dies erscheint mir als eine gute Lösung. Ich werde sogleich
den Weisen rufen lassen.“
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rsf
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