Ein grauer Tag im Mai. Es nieselt. Die Redaktionsräume sind mit Planen überspannt. Ich treffe mich mit Dierko de Fettekinn und seiner Tochter Marmela, 18 Monate alt. Aus dem warmen Büro sehe ich die beiden kommen. Ich beobachte, wie der Vater den Eingang sucht, während er versucht, sich und seine Tochter vor dem Niederschlag zu schützen. Eine ganze Weile geht das so. Als er schon fast aufgeben will, komme ich ihm entgegen und behaupte, ihn zufällig gerade gesehen zu haben.
„Kommt rein, Kaffee ist leider aus, aber wir haben immer viele Handtücher da. Na, was bist du denn für eine Kleine? Ja, was bist du denn für eine Kleine?“
Marmela de Fettekinn schaut mich aus großen Glubschaugen an. Sie spielt mit einer Spieluhr, die an ihrem Buggy befestigt ist. Ihr Vater nimmt sie heraus, zieht ihr die nassen Sachen aus und trockene Kleidung an.
Wir testen heute eine neue Technologie des „Freundeskreises Der KREM“, der ein Forschungsprojekt zur Entwicklung eines Kommunikationsmittels für Kleinkinder entwickelt hat. Herr de Fettekinn, der auch Fördermitglied des Freundeskreises ist, erklärte sich bereit, das Gerät an seiner Tochter zu testen. Es sieht aus wie ein Motorradhelm, aber es ist ein kleines Zaubergerät.
Wir können loslegen. Ich sitze jetzt Dierko und seiner Tochter gegenüber, die den Kommunikationshelm aufgesetzt hat.
KREMagazin: Dann fangen wir mal an. Schön, daß Sie und du gekommen seid!
Dierko: Ach, gehen wir doch zum Du über, das ist dann leichter!
Marmela: Finde ich auch!
Dierko erschrickt, als er die Stimme seiner Tochter hört, wie sie einen ganzen Satz formuliert.
KREMagazin: Na, das funktioniert ja wunderbar! Marmela, wie fühlst du dich?
Marmela: Joar, mir geht’s gut. Ich will aber mit meiner Spieluhr spielen.
KREMagazin: Na klar, kein Problem.
Ich hole ihr die Spieluhr. Sie nimmt sie entgegen und wirft sie herunter.
KREMagazin: Ich dachte, du willst damit spielen?
Marmela: Tu ich doch. Ich werfe sie auf den Boden. Was dachtest du, was ich damit machen will?
KREMagazin: Ähm … Weiß nicht.
Marmela: Okay …
Dierko: Mensch, Töchterchen, du sprichst ja!
Marmela: Das habe ich doch schon die ganze Zeit getan! Nur hast du mich anscheinend nicht verstanden.
Dierko: Nein, das habe ich tatsächlich nicht. Mensch, Herr Vagenicht, das ist ja fantastisch!
KREMagazin: Ja, echt beeindruckend! Dann testen wir doch mal die Grenzen des Gerätes. Dierko, du hast mir bei der Vorbesprechung gesagt, die Beziehung zu deiner Tochter wäre durch Konflikte geprägt?
Marmela: What?
Dierko: Naja, so ganz habe ich das nicht gesagt. Ich habe nur gesagt, daß es manchmal eben schwierig ist als Elternteil.
Marmela: Als Kind aber auch!
KREMagazin: Aha, spannend! Dann habt ihr ja jetzt beide Gelegenheit, eure Perspektiven zu schildern!
Marmela: Kann ich evtl. in die Tischplatte beißen?
KREMagazin: Das fände ich nicht so gut. Hast du Hunger?
Marmela: Nö, ich würde nur gern in diese Tischplatte beißen.
KREMagazin: Ah. Tja. Das wird hier nicht so gern gesehen. Also wenn es nach mit ginge, kein Problem, aber mein Chef wird immer sehr wütend, wenn so was passiert.
Marmela: Vielleicht kann ich in irgend was anderes reinbeißen?
KREMagazin: Hmm, vielleicht in deine Spieluhr?
Marmela: Naja, OK.
Ich hebe ihr die Spieluhr auf, sie wirft sie wieder runter.
Marmela: Sorry, das war so drin, gib sie mir bitte noch mal.
Ich hebe ihr die Spieluhr auf, sie wirft sie wieder runter.
Marmela: OK, Riesensorry, jetzt passiert es aber nicht noch mal!
Ich hebe ihr die Spieluhr auf, sie nimmt sie in den Mund.
Dierko: OK, also ich fange dann mal an. Beispiel Essen: Sie ißt prinzipiell nicht, was wir ihr servieren. Es sind immer nur ganz ausgewählte Sachen, auf die man nicht kommt. Und am nächsten Tag ist alles anders.
Marmela: Daß du darauf immer so rumreitest! Ich mochte halt die verdammten Haferflocken nicht, weil ich vorher schon etwas Räucherlachs, Kirschjoghurt und Keks gegessen hatte. Die lagen auf dem Boden vor meinem Stuhl. Da waren die Augen einfach größer als der Magen.
Dierko: Oh, echt? Nanu, normalerweise liegt da nicht so viel rum. Das …
Marmela: Und manchmal schmeckt das Essen einfach nach nichts! Das kriege ich nicht runter. Ja, ich weiß, ich soll nicht so viel Salz, aber du sollst auch nicht so viel rauchen und machst es trotzdem. Bitte mehr Salz in Zukunft!
Dierko: Das ist bei diesen Fertigbreien halt so, die sind mit wenig Salz.
Marmela: Eklig sind die, hast du die mal probiert? Und ich bin da auch nicht die einzige, in der Eichhörnchengruppe …
KREMagazin: … das ist deine Kitagruppe …
Marmela: … genau, da sehen das alle genauso! Diese Breie werden von Erwachsenen für Kinder gemacht! Kein Kleinkind wurde je in die Entwicklung einbezogen!
Dierko: Was soll ich denn jetzt machen?
Marmela: Von mir aus können wir immer Pommes essen. Oder Nudeln, Oder Nudeln mit Pommes.
Dierko: Okay.
KREMagazin: Schon eine Lösung hier erarbeitet, sehr schön! Und echt beeindruckend, wie du dich mit deinen nicht mal zwei Jahren schon artikulieren kannst, Marmela! Dierko, über die Essensvorschläge reden wir später noch mal, eine Mitarbeiterin des Jugendamtes wird dich nach dem Interview in Empfang nehmen. Gibt es weitere Streitpunkte?
Dierko: Ja, die gibt es. Also, das mit dem Essen habe ich verstanden. Aber warum bist du immer so unkonzentriert? Ich spiele was mit dir und nach wenigen Minuten, manchmal Sekunden, verlierst du das Interesse.
Marmela: Ach ja? Wie war denn das neulich mit dem Ballspielen? Nach nicht mal drei Stunden wollte er partout nicht mehr spielen.
Dierko: Das ist aber unfair jetzt. Wir haben die ganze Zeit auf dem Holzboden gesessen und ich habe irgendwann Rückenschmerzen bekommen!
Marmela: Naja, du könntest auch echt mehr Sport treiben! Sieh mich an, ich turne jeden Tag rum. Guckt mal, ich kann meinen Fuf im bem Mump peppen!
KREMagazin: Beeindruckend! Na gut, beim Thema Geduld braucht es wohl einfach mehr … Geduld .., von beiden Seiten.
Marmela guckt auf einmal sehr konzentriert, ihr Gesicht läuft rot an.
Dierko: Oh, ist da was in die Windel gewandert?
Marmela (schaut ihn konzentriert an und ächzt): NEIN!
KREMagazin: Oh, das ist jetzt unangenehm. Das vertiefen wir nicht weiter jetzt.
Marmela schaut wieder entspannt und tut, als ob nichts gewesen wäre.
KREMagazin: Vielleicht sollten wir auch mal zum Ende kommen langsam …
Dierko: … ich brauche einfach auch mal meinen Freiraum. Ständig ums Kind kümmern ist gar nicht so leicht!
Marmela: Hä? Du bist doch dauernd abwesend und guckst dir Bilder von Romy an.
Dierko: Was?
KREMagazin: Wer ist Romy?
Marmela: Na, meine beste Freundin aus der Kita!
KREMagazin: Äh, Dierko, wie müssen wir das denn verstehen?
Dierko: Das ist Quatsch!
Marmela: Du bist doch dauernd am Handy!
Dierko: Aber ich gucke doch auf dem Handy keine Bilder von Romy an!
Marmela: Was kann man denn sonst mit dem Handy machen? Also ich gucke immer nur Bilder von Romy.
Dierko: Äh, wir haben halt natürlich Bilder von Romy aus der Kita auf dem Handy. Aber wie gesagt, die gucke ich mir nicht an ...
KREMagazin: OK, das wäre dann wohl auch geklärt …
Marmela: …und außerdem werde ich auch systematisch eingeengt und kann mich nicht frei entfalten!
Dierko: Bitte was?
Marmela: Ein Beispiel: Wir sind neulich zu Oma und Opa gefahren mit dem Auto. Auf der Raststätte wollte ich nur mal den Parkplatz überqueren, um auf die Autobahn zu laufen, aber das dürfte ich natürlich nicht-
Dierko: Aber das ist ja auch gefährlich!
Marmela: Ach was, was soll denn passieren? Und neulich waren wir auf dieser Aussichtsplattform, und ich wollte runterspringen, weil ich immer schon mal fliegen wollte. Was meinen Sie, habe ich es geschafft, zu springen?
KREMagazin: Offensichtlich nicht, sonst wärst du wohl heute nicht hier.
Marmela: Jetzt fangen Sie auch schon so an! Das nervt! Auch als wir neulich am Wasser waren, da fuhr ein Boot vorbei mit einem Hund. Ich wollte zu dem Hund, und wieder wurde ich gestoppt.
Die Tür öffnet sich, die Redakteurin Dagmara Schmidt bringt Erdbeeren herein.
KREMagazin: Gut. Okay. Das mußt du einfach verstehen. Manchmal wissen Erwachsene einfach …
Marmela: ERDBEEREN!
KREMagazin: Äh … Laß mich nur noch kurz diesen Satz …
Marmela: NEIN, ERDBEEREN! ERDBEEREN!
Sie reißt sich den Helm runter und versucht, auf den Tisch zu klettern, auf dem die Erdbeeren stehen. Ihr Vater versucht, sie wieder in ihren Stuhl zu drücken. Ein Schreikrampf ist die Folge. Ich verlasse das Büro und rufe den Sicherheitsdienst.
.jpg)
Kommentare
Bussi
Bussi
Bussi
Bussi Claudi
Ach ja... jetzt weiß ich es wieder... dann muss ich einen Teller mehr hinstellen.
Also Bussi
Und Rüdiger ist daheim im Redaktionswald, einer muß ja immer die Stellung halten.
beste Grüße
Melodie Zufal
mein Name ist Gerron Faltschpfarr, ich bin der Pastor der Gemeinde Groß Jaresch (Marck). Ich bin erstaunt, dass "mein" Kirchengebäude verkauft werden soll. Woher haben Sie diese Information? Ich möchte Sie bitten, solche realitätsfernen Dinge nicht mehr zu verbreiten, denn sonst sehe ich mich gezwungen, gut trainierte und gewaltbereite Engel sowie aggressive Propheten, die kaum Gnade kennen, bei Ihnen in den Redaktionwald zu schicken.
Heilige Grüße
Gerron Faltschpfarr
Ich hab gerade meinen aggressiven Engeln und Propheten rohes Fleisch in ihre Zwinger geworfen! Die sind sowas von heiß, im Redaktionswald für Ordnung zu sorgen!
Warum droht uns hier ein Pfarrer mit fleischfressenden Engeln? Woher weiß der von unserem Redaktionswald? WAS ZUR HÖLLE HABT IHR GEMACHT???
Ach so, ganz wichtig: Mein Beileid wegen Moritz!
Heilige Grüße
Faltschpfarr
Grüße Rüdiger
Aber jetzt erzähl mal von Herrn Faltschpfarr.
Kommentar veröffentlichen