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Posts

Scotland Yard

Constable Fredriksen tappte im Dunkeln. Jetzt waren sie dem Bankräuber schon zwei Stunden auf der Spur, aber er schaffte es immer, ihnen zu entwischen. Zum wiederholten Male funkte er mal wieder einen seiner Kollegen an. „Miller? Bitte kommen! Over!“ „Hier Miller. Was ist los, Chef?“ „Wo sind Sie jetzt?“ „Wir haben eben die S1 verlassen und steigen jetzt in die Ringbahn um. Fahren nach Tempelhof.“ „Okay, dann komme ich euch entgegen. Bin gerade in der U7. Am Mehringdamm steige ich in die U6 Richtung Alt-Mariendorf. Wir kriegen den Mistkerl!“ „Jawohl, Chef!“, bellte Miller. „OK, over und out!“ „Ach, Chef?“ „Was denn noch?“ „Woher wissen wir noch mal, daß der Kerl nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren kann?“ „Aber Miller, so sind nun mal die Spielregeln, das wissen Sie doch!“ „Wenn Sie erlauben, es sind blöde Regeln, Chef!“ „Ich habe sie nicht gemacht. Und jetzt ran an die Bouletten! Wir haben nur noch zwei Stunden Zeit!“ „Warum denn das, Chef?“ „Weil … es dann zu Ende ist. Miller...

Der Singvogel

„Brrrfiiieepbrrrlaaalaaala!“ Ich bin eine Amsel. Soll ich den vorgefertigten Kasten von dem Opa zum Brüten nehmen oder soll ich doch selber ein Nest bauen? Ich weiß es nicht. Ist aber auch egal, jetzt gerade habe ich Hunger. Ich muss kurz noch 45 Minuten meinen Reviergesang von dem Komposthaufen aus singen, dann kann ich mir was zu essen suchen. Hoffentlich finde ich einen Regenwurm oder eine dicke Larve, ahh die sind so sehr appetitlich für mich. Aber erst mal der Gesang: „Brrrfiiieepbrrrlaaalaaala!“ und nochmal „Brrrfiiieepbrrrlaaalaaala!“ so, noch 92 mal. Währenddessen schön mit dem Schwanz und dem Gefieder umher fuchteln. Oha, da ist ein Weibchen. Und es kommt auch noch her. Schnell hin, dann kann ich mein Balzritual vollziehen. So, schön den Kopf raus strecken, das Kopfgefieder anlegen und ganz schnell um das Weibchen herum rennen. „Ziep ziep ziep“ rufen und das ganze 60 Minuten lang durchhalten. Da wird die weibliche Amsel doch ganz verrückt von.

In einem Leuchtturm, Teil VII

Michael erwachte in einem Bett. Es war richtig gemütlich. So gut hatte er schon gefühlte Ewigkeiten nicht mehr geschlafen. Das lag wohl am leichten Schaukeln. Offenbar befand er sich an Bord eines Schiffes. Es klopfte an der Tür. Kurz darauf schloß jemand die Tür auf und kam herein. „Herein!“, sagte Michael. „Entschuldige, ich habe vergessen, daß du ja unser Gefangener bist“, erklärte ein sichtlich kleinlauter Soldat. Erstaunt stellte Michael fest, daß es einer der Männer vom Schlauchboot war. „Wieso bin ich ein Gefangener? Weshalb haben Sie andere Sachen an als gestern? Und warum sind wir immer noch auf See?“ „Wieso, weshalb, warum – wer nicht fragt, bleibt dumm“, rezitierte sein Gegenüber die Sesamstraße. „OK, Sie wollen nicht reden, Freundchen? Dann drehen wir den Spieß mal um!“, sagte Michael mit komisch verstellter Stimme, so als sei er in einem US-Fernsehkrimi der Ermittler. Das ließ den anderen jedoch kalt. Michael probierte es jetzt in Kleinkind-Manier. „Du? Was wa...

Ein unbekanntes Tier (3/5)

Am nächsten Morgen nahm Tibor zum ersten Mal am Appell teil. Es galt, möglichst gerade an einer Linie anzutreten und strammzustehen. Ferd, der Anführer der Rebellenarmee, schritt die Reihe ab und fletschte zufrieden die Zähne. Vor Tibor blieb es stehen. „Du da – raustreten!“ Tibor sah sich um, ob auch wirklich er gemeint war. Sein rechter Nachbar sah bewußt beiläufig zum Boden, während der linke beschäftigt war, seinen linken Nebenmann zu lausen. Also war wohl er gemeint. Er trat hervor. „Name?“ „Tibor.“ „Wie heißt das?“ Tibor entsann sich der morgendlichen Appelle, die er dutzendmal verfolgt hatte. „Tibor, Herr Major!“ Ferd sah zufrieden aus. „Sie haben schon mal gedient?“ „Wie meinen?“ „Waren Sie schon mal beim Militär?“ „Militär?“ „Herr Gott noch mal, haben Sie schon mal mit Waffengewalt Konflikte ausgetragen?“ „Ich glaube nicht, Herr Major!“ „So so ...“ Ferd lief bedächtig vor ihm im Kreis. Er kratzte sich ausgiebig am Rücken, dann hatte er eine Idee.

Ein unbekanntes Tier (2/5)

„Ich heiße Tob.“, sagte das Schimpansenjunge. „Wie heißt du?“ „Einfach Tob? Das ist ja ein lustiger Name.“ „Manno, ich kann doch nichts dafür. Meine Eltern haben den Namen ausgesucht.“ „Ist ja gut, tut mir leid. Ich habe so einen Namen halt noch nie gehört. Was mich angeht … Ich weiß nicht, ob ich überhaupt einen Namen habe.“ „Du siehst anders aus als wir!“ „Ja, das habe ich auch schon gemerkt. Ich bin wohl ein anderes Tier. Ich weiß aber nicht, was für eins. Ich bin ein unbekanntes Tier.“ „Ein unbekanntes Tier?“ „Ja.“ „Wollen wir jetzt fangen spielen?“ „Ich weiß nicht. Ja, warum eigentlich nicht? Dann lauf mal los!“ Aber als Tob loslief, kam er nicht ansatzweise hinterher. Darum hatte Tob auch bald keine Lust mehr und nervte lieber seine Eltern. Er hatte noch nie probiert, schnell zu laufen. Offenbar war er nicht rennfähig. Flugfähig war er auch nicht, was blieb ihm dann? Plötzlich stand Zibor vor ihm.

Mit dem Sitzen ist's nicht mehr

„...und darum werden Sie, Alexander Abraham Glownik, im Namen des Volkes, zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, jedoch zur Bewährung ausgesetzt.“ Die 32-Jährige Richterin schlug mit ihrem kleinen Holzhammer auf ein dafür vorgesehenes Plättchen, begründete ihr Urteil kurz und beendete die Sitzung. Alex verließ das Gericht als freier aber verurteilter Mann. Die Gedanken schwirrten durch seinen Kopf, als er zum U-Bahnhof lief. Auf einmal fasste etwas auf seine Schulter: „Alex? Bist du das? Na sicher bist du's? Wie geht's? Mega lange nicht gesehen!“ Was ihm auf die Schulter klopfte, war sein ehemaliger Klassenkamerad Ferdinand „Bolle“ Wittkämper, ein hagerer, aber durchaus massiver Mensch. Alex beachtete den alten Bekannten nicht und ging die Treppe des U-Bahnhofs hinunter. Er war verabredet, er dürfe nicht zu spät kommen, dachte er sich.

In einem Leuchtturm, Teil VI

Bei Bernd war inzwischen alles wie gehabt. Eine Vertretung ersetzte Michael. Bernd hatte diesen Abend Dienst. Gelangweilt sah er auf das Meer. In Wirklichkeit war er natürlich besorgt um seinen Kollegen. Die Rettungsflotte war vor drei Tagen losgefahren und noch immer nicht zurückgekehrt. Aber äußerlich ließ er es sich nicht anmerken. Er hatte eine Strategie entwickelt, nach außen lässig zu wirken und die wirklichen Probleme zu verdrängen. Leider verfiel er nach einiger Zeit automatisch in Langeweile, aber das war nur eine Nebenwirkung der wirklich gut funktionierenden Strategie. Das heißt, er war nicht wirklich gelangweilt, sondern seine Langeweile war nur ein Schutzschild. Er dachte an sein früheres Leben als Schrankenwärter zurück. Damals hatte er noch in einer Stadt gewohnt und soziale Kontakte gehabt. Jetzt traf er sich nur manchmal mit den Trinkern vom Festland zum Skatkloppen. Er war es ja gewohnt, allein zu sein, aber gelegentlich, so ein- bis zweimal im Jahr, wünschte er sich...