„Lieber Michael, wie geht’s? Wenn
du das liest, hattest du keinen Motor, denn du bist die gleiche
Richtung getrieben wie diese Flasche. Du bist quasi die
personifizierte Flasche, also im Positiven. So, jetzt wissen wir
schon mal, daß du irgendwo bist, wo die Strömung hinführt. Die
zweite Frage ist, wo das genau das ist. Hast du eine Idee, wie man
das rausfinden könnte?
Tja, also ich bin am Überlegen, aber
mir fällt nicht so recht etwas ein. Du könntest auch tot sein!
Dann hätte dieser Brief nicht so viel Sinn. Tja, man sieht sich.
Bernd.“
Fassungslos besah Michael das Stück
Papier. Das war die Botschaft von Bernd? Das war alles? Er drehte das
Blatt um, dort stand aber nichts. Er schaute in die Flasche, und
tatsächlich fand er dort noch einen kleinen Zettel. Dem Datum war zu
entnehmen, daß er später geschrieben worden war.
„P.S. Heute ist deine Flaschenpost
angekommen. Die Jungs von der Spurensicherung haben gesagt, sie
hätten eine Ahnung, wo du bist, aber sie müßten erst „was
ausprobieren“, um sicher zu gehen. Dann haben sie es ausprobiert
und jetzt sucht man nach dir. Also bis bald!“
Diese Botschaft elektrisierte Michael.
Er wollte vorbereitet sein für den Moment seiner Rettung. Zunächst
mußte er aufräumen, das sah ja aus hier! Er scheuchte die Möwen
weg, woraufhin sie ihn attackierten und ihm Wunden beibrachten.
Daraufhin baute er ihnen ein ansprechendes Freigehege, so daß sie
ihn auf seinem Teil der Insel in Ruhe ließen. Daß er da nicht eher
drauf gekommen war! Nachdem er aufgeräumt hatte, setzte er sich an
den Strand. Dann wartete er. Nach einer Stunde machte er eine kurze
Pause, dann wartete er wieder. Danach wartete er noch ein bißchen,
dann, beim Abendessen, wartete er noch mal etwas länger. Irgendwann,
er hatte erneut gewartet, wurde er langsam ungeduldig. Er besah sich
den Zettel von Bernd und sah das Datum. Das Papier war zwei Tage alt.
So weit konnte er also nicht vom Leuchtturm weg sein. Nachdem er noch
ein bißchen gewartet hatte, ging er ins Bett.
Er wurde von einer menschlichen Stimme
geweckt. „Na mach schon!“ „Da ist nichts.“ „Wie, das kann
gar nicht sein!“ Er wachte auf. Männer mit schmutzigen Westen
standen auf der Insel, sie hatten ihm den Rücken zugewandt. Freudig
sprang er hoch. „Da sind Sie ja bereits! Ein Glück, ich hätte es
hier keine Sekunde länger ausgehalten!“ Die Männer fuhren herum
und wechselten vielsagende Blicke. „Was machen Sie hier“, fragte
einer von ihnen. „Sie machen mir Spaß! Ich bin hier gestrandet,
das wissen Sie doch! Deswegen sind Sie doch hier, oder nicht?“
Wieder wechselten die Männer vielsagende Blicke. „Ja …
natürlich, deswegen sind wir hier, weswegen sollten wir sonst hier
sein?“ „Und wo ist ihr Schiff? Oder sind Sie mit dem Helikopter
hier?“ „Mal ganz langsam, junger Mann. Die Fragen stellen wir.
Also: Wie kommen Sie hierher?“ „Mann, das wissen Sie doch, ich
bin auf der Leuchtturminsel ins Wasser gefallen. Und dann bin ich
abgetrieben. Und dann habe ich mir ein Boot gebaut. Und dann bin ich
hier gestrandet. Und dann habe ich mir hier meine kleine Existenz
aufgebaut. Soll ich das jetzt alles aufgeben? Ich meine, ja,
natürlich, ich will das alles aufgeben, ich will ja gerettet werden.
Und jetzt kommen Sie!“ „Ja, also wir sind hier, um Sie zu retten,
wie Sie ja schon gesagt haben. Wir wußten gleich, daß Sie hier
sind. Also haben wir …“ „Sie wußten von Anfang an, daß ich
hier bin? Warum sind Sie dann erst jetzt hier?“ „Nein, das habe
ich doch nur so dahingesagt, also wir haben es geahnt, daß Sie
wahrscheinlich hier sind. Und jetzt werden Sie gerettet. Kommen Sie
mit!“ Sie stiegen in ein Schlauchboot, daß einen kyrillischen
Namen trug. Zwei Männer trugen eine Truhe heran und stellten sie in
das Boot. Dann stiegen sie auch ein. Das Boot legte ab.
„Was ist in der Truhe?“ fragte
Michael. „Und warum wußte ich nichts von ihr? Immerhin war ich
eine Weile auf der Insel, die man nun wirklich nicht groß nennen
kann.“ „Tja, wenn man nicht weiß, daß sie da ist, dann findet
man sie auch nicht. Also, weil dann sucht man sie ja auch nicht.“
„Und was ist drin?“
„Das wirst du schon noch früh genug
erfahren.“
„Wann denn?“
„Naja … Äh … früh genug. Also,
von mir aus können wir es dir auch ...“ „Nein, wir können dir
den Inhalt leider nicht zeigen!“, zischte nun ein anderer
dazwischen. „Es ist besser, du schläfst jetzt. Du mußt müde
sein!“ „Eigentlich bin ich gerade aufgestanden. Und wir sind ja
bald auch auf dem Festland.“
„ ...“
„Jetzt habt ihr euch schon wieder
vielsagende Blicke zugeworfen. Gebt zu, ihr seid gar nicht
meinetwegen gekommen, sondern ...“ – Michael zeigte auf die Truhe
– „... deswegen!“ „Nein, nein, nein!“, sagte wieder der
erste. „Jetzt beruhige dich mal. Wir sind hier, weil wir auf der
Suche nach Überlebenden waren, und sind froh, daß wir dich gefunden
haben. Und jetzt können wir dir es ja auch sagen: In der Truhe ist
der Flugschreiber!“ „Wieso Flugschreiber? Was für Überlebende?
Wovon redet ihr denn? Ich bin doch nicht abgestürzt! Ich habe euch
doch gerade erzählt, wo ich herkomme.“ „Ja, natürlich, das …
wußten wir ja auch.“, stammelte der erste wieder. „Wir … wir
wollten dich testen!“ „Hm, ob ich ihnen trauen kann?“, dachte
Michael laut, „sie scheinen ja nett zu sein, aber irgend was
verbergen sie vor mir.“ „Zum Glück hat das keiner gehört!“,
antwortete der Mann mit blutverschmierten Stiefeln, die Michael jetzt
erst auffielen. „Na gut, ich höre schon Stimmen, ich lege mich
doch mal schlafen.“, sagte Michael und drehte sich von den Männern
weg. In dem Moment schlug ihn einer der Männer, der bisher gar nicht
geredet hatte, mit einem stumpfen Gegenstand auf den Kopf, und
Michael sackte weg. „Den habe ich schlafen gelegt“, brummte er
zufrieden. „Aber Ole, der wollte doch eh gerade schlafen gehen!“
„Mann, zu dumm!“, entgegnete Ole. „Er hat einfach zu viele
Fragen gestellt“, verteidigte jemand, der Mathis hieß, Oles
Aktion. Dann sprachen sie nicht mehr darüber und spielten Karten.
Alle Teile "In einem Leuchtturm"
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