„...und darum werden Sie, Alexander
Abraham Glownik, im Namen des Volkes, zu einer Freiheitsstrafe von einem
Jahr und neun Monaten verurteilt, jedoch zur Bewährung ausgesetzt.“
Die 32-Jährige Richterin schlug mit ihrem kleinen Holzhammer auf ein
dafür vorgesehenes Plättchen, begründete ihr Urteil kurz und
beendete die Sitzung.
Alex verließ das Gericht als freier
aber verurteilter Mann. Die Gedanken schwirrten durch seinen Kopf,
als er zum U-Bahnhof lief. Auf einmal fasste etwas auf seine
Schulter: „Alex? Bist du das? Na sicher bist du's? Wie geht's? Mega
lange nicht gesehen!“ Was ihm auf die Schulter klopfte, war sein
ehemaliger Klassenkamerad Ferdinand „Bolle“ Wittkämper, ein
hagerer, aber durchaus massiver Mensch. Alex beachtete den alten
Bekannten nicht und ging die Treppe des U-Bahnhofs hinunter. Er war
verabredet, er dürfe nicht zu spät kommen, dachte er sich.
Bolle folgte ihm nicht auf den U-Bahnhof, rief ihm aber noch hinterher. Durch die hallenartige Form des Bahnhofs war Bolle sehr gut zu verstehen. Da die U-Bahn erst in sieben Minuten kommen sollte, musste sich Alex, der von nun an vorbestraft war, auch sieben Minuten lang Bolles Geschrei anhören. Wie scheiße es sei, dass Alex nicht mal einen Augenblick stehen bleibt, wo sie doch zusammen Religion und Englisch gehabt haben, in der Mittelstufe. Dass so was menschlich „gar nicht geht“ und Alex ja schon immer „irgendwie komisch“ war. Wie einfach es doch sei, jemanden zu ignorieren, aber umso schwerer, einfach mal „Hallo“ und „Wie geht's? Also mir geht's gut“, zu sagen. Noch drei Minuten, bis die U-Bahn kam. Nachdem eine Reihe weiterer Beschwerden artikuliert wurden, begann Bolle Alex auch noch nach zu äffen, obwohl dieser kein Wort in Bolles Gegenwart verloren hatte. „Neee, bei dir bleib ich nicht stehen, weil...du bist ja scheiße uuääähh, du bist ja...“, und jetzt betonte der Nachäffende besonders langsam und mit einer äußerst hässlichen Stimme, „...du bist ja nur BOLLE.“ Alex saß inzwischen auf einer Bank und schüttelte den Kopf. Noch zwei Minuten, bis die U-Bahn kam. Wie kann man nur so beknackt sein könne, fragte sich Alex. Etwa 1 ½ Minuten hielt Bolle seinen Mund, dann, kurz bevor die U-Bahn kam, donnerte noch einmal seine Stimme mit einer solchen Wucht durch den gesamten Bahnhof, dass Alex aufschreckte. Die U-Bahn kam, Alex stieg ein. Schnell fuhr er weg.
Bolle folgte ihm nicht auf den U-Bahnhof, rief ihm aber noch hinterher. Durch die hallenartige Form des Bahnhofs war Bolle sehr gut zu verstehen. Da die U-Bahn erst in sieben Minuten kommen sollte, musste sich Alex, der von nun an vorbestraft war, auch sieben Minuten lang Bolles Geschrei anhören. Wie scheiße es sei, dass Alex nicht mal einen Augenblick stehen bleibt, wo sie doch zusammen Religion und Englisch gehabt haben, in der Mittelstufe. Dass so was menschlich „gar nicht geht“ und Alex ja schon immer „irgendwie komisch“ war. Wie einfach es doch sei, jemanden zu ignorieren, aber umso schwerer, einfach mal „Hallo“ und „Wie geht's? Also mir geht's gut“, zu sagen. Noch drei Minuten, bis die U-Bahn kam. Nachdem eine Reihe weiterer Beschwerden artikuliert wurden, begann Bolle Alex auch noch nach zu äffen, obwohl dieser kein Wort in Bolles Gegenwart verloren hatte. „Neee, bei dir bleib ich nicht stehen, weil...du bist ja scheiße uuääähh, du bist ja...“, und jetzt betonte der Nachäffende besonders langsam und mit einer äußerst hässlichen Stimme, „...du bist ja nur BOLLE.“ Alex saß inzwischen auf einer Bank und schüttelte den Kopf. Noch zwei Minuten, bis die U-Bahn kam. Wie kann man nur so beknackt sein könne, fragte sich Alex. Etwa 1 ½ Minuten hielt Bolle seinen Mund, dann, kurz bevor die U-Bahn kam, donnerte noch einmal seine Stimme mit einer solchen Wucht durch den gesamten Bahnhof, dass Alex aufschreckte. Die U-Bahn kam, Alex stieg ein. Schnell fuhr er weg.
Alex bekam keinen Sitzplatz, er wollte
aber auch nicht sitzen. Die Stationen rauschten vorbei, dann stieg er
aus, Grafenstraße. Er war mit Conny verabredet, einer guten
Freundin, die unbedingt sofort persönlich mit ihm reden wollte, wenn
das Urteil verkündet war.
Auf dem U-Bahnhof war eine riesiger
Pulk Fussball-Fans, um genau zu sein, TC-Rot-Weiß-Fans. Alex wollte
nur schnell raus aus dem Bahnhof, doch zwischen Treppe und
Fahrkartenautomat, wo er langlaufen wollte, standen vier betrunkene
Fans und hatten fünf Pittbulls dabei: „Kann ich mal durch bitte.“
„Was willst du?“ „Ich würde gerne mal durch und ihr steht so
ein bisschen im Weg.“ „Achso, na klaro kannst du durchjehen, da
machen wa Platz. Ecki, Ronny, Stulle, macht ma Platz, da will einer
durch!“ Ecki, Ronny und Stulle befahlen ihre Kampfhunde zur Seite,
Alex huschte vorbei und bedankte sich freundlich. „Da nich für!“
rief man ihm noch hinterher. Oben, an der Kreuzung, wartete Conny
schon. Alex fiel ihr in die Arme. Sie schaute ihn an, schüttelte
leicht den Kopf und fragte auf ihre unsympathisch-ironische Art: „Was
machst du bloß immer für Sachen?“ Alex überlegte kurz, er wusste
jedoch keine gute Antwort. „Naja, ich verursache Brände und
verletzte Menschen dabei fahrlässig.“ „Das war eigentlich so 'ne
rhetorische Frage, da musst du nicht drauf antworten. Das ist wie,
wenn jemand krank ist, den fragt man ja auch, „was machst du denn
für Sachen“ oder wenn einer totalen Mist baut und du dem dann
sagst „Na dir geht's gut, ja?“, der antwortet ja dann auch nicht
darauf, auch wenn es im gut geht.“ „Ach so, ja...stimmt.“ Beide
mussten grinsen, weil beide es nicht ernst gemeint hatten. Sie
suchten das Café „Brauner Genuss“ auf und bequemten sich in die
hinterste Ecke. Alex bestellte einen Kaffee und Conny orderte eine
Wiener Melange und ein Stück Linzer Torte. „Also, wie ist das
jetzt ausgegangen...also das Gerichtsverfahren?“ „Ein Jahr und neun
Monate, aber auf Bewährung.“ „So viel??“ „Naja, ich meine,
der Mikel wurde schwer verletzt.“ „Ja, aber ist das nicht
trotzdem ein bisschen happig, ich meine...äh...wie ist das überhaupt
passiert, also inwieweit bist du da denn jetzt Schuld daran?“ Alex
nahm einen großen Schluck Kaffee und musste leider schnell fühlen,
dass dieser noch kochend heiß war. Er riss den Mund auf, die Hälfte
des Kaffees lief auf sein grünes Hemd, das er extra für das Gericht
angezogen hatte. „Ahahaaaaahah“, rief er, der Verbrühung wegen.
Er trank schnell ein ganzes Glas Wasser hinterher, als Conny mit
diesen schrecklichen Witzen begann. Ob Mikel auch so gegrunzt hat wie
Alex gerade, als er neulich gegrillt wurde? Conny grinste schelmisch.
Alex schüttelte den Kopf, sie grinste weiter. „Nicht lustig“,
sagte er. „Willst du jetzt hören was passiert ist oder nicht?“
„Ja, ich bin still und mach keine blöden Witze mehr. Das ist auch
wirklich ein zu heißes Thema, um da Witze zu machen.“ Conny musste
wieder grinsen. Alex schaute schon böse, da fuhr Conny fort „jajaja,
ich halte jetzt mein Maul, keine Witze mehr, versprochen!“ Alex
fing an zu reden, da unterbrach Conny ihn wieder, „ich bin ganz
Feuer und Flamme!“, Conny musste lachen, Alex wurde sichtlich böse:
„Jetzt hör doch mal ernsthaft auf, Mikel ist schwer verletzt, geht
das nicht in deinen Kopf? Das ist nicht komisch!“ „Ja, okay, ich
bin muxmäuschenstill!“ Alex grinste Conny an, er fand es doch so
ein bisschen lustig. Dann konnte er endlich beginnen: „Also, es war
Dienstag, wo Mikel und ich halt immer unsere Morningshow hatten. Wir haben gerade dieses Gewinnspiel nochmal
ankündigen müssen...das muss ich dir jetzt aber noch kurz erklären,
dieses Gewinnspiel ist sooo bescheuert. Es ist ja allgemein bekannt,
dass Privatradiosender debil sind, aber was STRONGFM -101,9 - die
Hits für den Osten da veranstaltet hat, ist echt der Hammer, also
nicht im positiven Sinne...aber auch nicht so richtig im Negativen,
ich meine, schlimm ist das nicht aber halt total gehirnamputiert.“
Alex nahm einen Schluck vom kaum abgekühlten Kaffee, dann erzählte
er weiter, Conny mampfte inzwischen ihre Torte. „Da sollte man halt
100 Fotos von seinem Rücken machen, also man selber, und die dann an
uns schicken. Wir...das Morningshow-Team...also Mikel und ich,
sollten die dann alle durchgucken und beurteilen, welche am besten
sind. Da haben ehrlich über 2000 Leute mitgemacht und uns jeweils
100 beschissene Rückenfotos zugeschickt. Nur um so eine dumme CD-Box
zu gewinnen. Ich hab mir nur ungefähr 10 Mitspieler gegeben, dann
hab ich aufgehört. Die Fotos waren soo langweilig und hässlich
teilweise, weil man die ja selber machen musste, das war die
Bedingung. Deshalb haben ganz viele Leute ihren Rücken kaum auf's
Bild bekommen.“ „Und wer hat dann gewonnen?“ „Keine Ahnung,
irgendwer halt...nee, warte, niemand hat da gewonnen, das war ja am
Tag des Unfalls und seit dem haben wir ja nicht mehr unsere
Morningshow gemacht.“ Conny intervenierte: „Aber hat nicht jetzt
irgendein Mitspieler einen Anspruch auf den Gewinn? Also die CD-Box?“
Alex war gereizt: „Ich habe keine Ahnung ob jetzt irgendwer,
irgendein potenzieller Gewinner, einen Anspruch auf diese CD-Box hat.
Im Zweifel ist die auch verbrannt!“ Conny schaute etwas leer in die
Gegend, Alex trank wieder einen Schluck Kaffee, immer noch heiß. Die
Kellnerin kam vorbei, fragte ob alles in Ordnung sei, beide lächelten
und nickten höflich. „Okay und was ist dann passiert?“ „Dann
haben wir halt so normal weiter moderiert...wie immer...ääh Conny,
warte mal einen Augenblick bitte...ich muss dringend mal brunzen
gehen.“ Alex grinste, ob des lustigen Wortes Brunzen, nahm noch
einen Schluck seines Kaffees und huschte zum Klo. Conny fand den
Begriff „Brunzen“, den Alex immer verwendete, seit sie ihn
kannte, irgendwie erheiternd und überlegte sich noch weitere
Synonyme für den Begriff Pinkeln.
Struseln...illern...seichen...harnen, sie spielte kurz mit dem
Gedanken, tatsächlich eine Liste der Wörter zu machen, doch dann
kam Alex schon wieder und sie verwarf die Idee. Er setzte sich und
trank einen Schluck des inzwischen nur noch warmen Kaffees: „Wo war
ich?“ Conny warf rasch ein: „Auf dem Klo!“ „Haha, sehr
witzig, nein, ich meine in meiner Erzählung. Ah, ich weiß es
wieder, wir haben also das Gewinnspiel angetrailert und unsere
Hitlist gespielt, dann unseren Telefonstreich gemacht...da haben wir
dieses Mal so eine alte Frau angerufen und so getan, als ob sie eine
Tonne Sand bestellt hätte und wann wir das dann bei ihr in die
Wohnung bringen sollten, die hat am Ende echt nicht mehr daran
gezweifelt, dass sie den Sand bestellt hat...das war echt sau
lustig“, Alex musste so lachen von der Vostellung mit dem Sand in
der Wohnung, dass er Grunzgeräusche produzierte, „eine Tonne Sand,
direkt in die Wohnung, wo soll man denn hin damit??“, er lachte und
grunzte noch immer, Conny lächelte leicht, sie fand diese Art von
Humor entsetzlich, er beruhigte sich nach einiger Zeit wieder, er
japste noch. „Und dann kamen die News mit Frank. Danach ist auch
immer schon Schluss mit unserer Sendung. Während Frank die
Nachrichten macht, geh' ich immer eine rauchen, das habe ich an
diesem Tag auch so gemacht. Ich steh' dann immer direkt unter dem
Fenster...und alles was dann passiert ist, waren eigentlich nur
unglückliche Zufälle. Zigarette weg geschnippst...Laub war
staubtrocken und hat sich entzündet...Frank hat, als er fertig war
mit den Nachrichten, den Raum abgeschlossen, weil Mikel noch Ruhe
haben wollte beim erstellen der Playlist, weil zwischen 10 und 12
immer nur 'ne Schleife läuft...dann hat sich das Feuer auf das Haus
ausgebreitet“, Alex schaukelte mit dem Kopf hin und her, als er die
einzelnen Stufen des Unglücks beschrieb „...dann kam das Feuer zum
Fenster rein bei Mikel...der hat den Schlüssel nicht gefunden...der
hatte auch keinen, den hatte ich, hatte ich aber vergessen...er kam
nicht raus und das Feuer breitete sich immer weiter aus...ich bin
übrigens, direkt nachdem ich auf geraucht hab, ins Schwimmbad
gegangen, welche Ironie, nicht wahr?“ Conny konnte sich ein Grinsen
nicht verkneifen. „Was dann passiert ist, ist nicht mehr schön.
Mikel wurde ohnmächtig und lag dann erst mal da. Leider wurde der
Brand halt erst recht spät erkannt, so dass die Feuerwehr auch erst
kam, als Mikel schon die schweren Verbrennungen im Gesicht und an den
Unterarmen und Beinen hatte. Eigentlich hatte der nur Pech. Er hat
ausschließlich Verbrennungen an Körperteilen, die man sehen kann,
wenn man so auf der Straße ist. Und dass sind halt echt krasse
Verbrennungen, die der hat.“ „Immerhin arbeitet er beim Radio, da
kommt's ja nicht sooo sehr auf's gute Aussehen an.“ Conny lachte
über ihre eigene Bemerkung. „Sag mal, was ist denn heute mit dir
los? Seit wann bist du so böse?“ „Ich weiß es nicht“,
antwortete Conny, „Mikel ist ja eigentlich echt nett. Wie geht’s
ihm jetzt?“ Alex trank den Kaffee aus: „Naja, so richtig geil ist
für Mikel jetzt eigentlich nichts mehr. Weil die Haut an den Beinen
fast komplett verbrannt ist, kann er nicht mehr sitzen, das zieht
dann total und tut ihm weh. Ich meine, der kann nicht mehr sitzen!
Aah...und seinen Geruchs- und Geschmackssinn hat er auch verloren.“
„Das ist aber echt finster.“ „Ja,
oder?? Sitzen ist doch wirklich so'ne Grundvoraussetzung für alles.
Stell dir mal vor, du hast ein Vorstellungsgespräch und dein
Gegenüber sagt zu dir „Setzen Sie sich doch“ und dann sagst du
„das kann ich nicht!“, das ist echt mies.“
Conny und Alex bestellten die Rechnung,
zahlten, gingen noch zusammen zum U-Bahnhof und verabredeten sich für
einen der kommenden Tage.
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