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Das Der KREMagazin – September-Ausgabe: Der Regisseur Prokopius Däenisch

Er wirkt abgeklärt, als er unsere Räumlichkeiten betritt. „Dürfte ich beim Interview was essen?“ fragt er umgehend nach seiner Ankunft. Das ist Prokopius Däenisch, direkt und sympathisch. Eigentlich kann es nur verwundern, dass jemand seines Formates auf dem Boden geblieben ist. Er ist Schauspieler, er ist Regisseur, er ist Künstler, ja, er ist ein Freigeist. Einer von den ganz ganz großen. Und vorallem einer unserer wenigen Exportschlager im Filmgeschäft.
Wenn der Name Prokopius Däenisch fällt, dann darf man aber auch The Sudets nicht unerwähnt lassen. Jene rebellische Gruppe junger Schauspieler und Filmemacher, die Anfang der 60er Jahre dafür eintraten Kinozuschauer nicht exakt, sondern überschlagsweise zu zählen. 1964 wurde dies von der mittelamerikanischen Filmakademie (miamfiac) aufgenommen und ein Jahr lang tatsächlich praktiziert, doch schnell schon beklagte man ungenaue Zuschauerzahlen und stellte wieder auf die alte, exakte Zählweise um.
„Alle viereinhalb Jahre ein Film“, seinem Lebensmotto blieb er bis heute treu, weshalb auch dieses Jahr wieder eine Däenisch-Produktion in den Kinos anlaufen wird. „Feuerstundenplan“ heißt das dreieinhalbstündige Werk des gebürtigen Werningeroders – Worum es in diesem Film geht, weshalb er die albanische Filmproduktion am Boden sehen möchte und wieso er sich nach wie vor dafür einsetzt, dass Zuschauerzahlen in Kinos überschlagsweise erfasst werden sollen, hat er uns exklusiv im Interview erzählt.

KREMagazin: Herr Däenisch, schön, dass Sie sich Zeit nehmen für ein Interview mit uns.

Däenisch: Ach was, ich weiß doch, dass ich bei Ihnen gut aufgehoben bin (lacht).

KREMagazin: Ja, das stimmt wohl (lacht).

Däenisch: Bei Ihnen bin ich wirklich gut aufgehoben (grinst und lacht).

KREMagazin: Ja ja, das stimmt schon. Also Herr Däenisch, sagen Sie uns doch, worum es in Ihrem neuen Film „Feuerstundenplan“, der am 01. Oktober in Regensburg uraufgeführt wird, geht.

Däenisch: Tja, wie in allen meiner Filme geht es um Liebe, Hass, Freundschaft, Wut … Aber Sie wollen sicher Genaueres.

KREMagazin: Bingo!

Däenisch: Nunja, es geht um eine lettische Familie, die in den frühen 70er jahren aus dem Ostblock nach Finnland flüchten kann und dort in Oulu Fuß zu fassen versucht. Während Aikas, der Sohn der Familie, merkt, dass er schwul ist, merkt seine Schwester Ikštate, dass sie lesbisch ist. Ihre katholisch-konservativen Eltern Pavlelus und Anžetate können das nicht verstehen und versuchen ihre Kinder davon zu überzeugen, dass Homosexualität falsch sei, während sie ihre eigene Ehe retten wollen. Dies jedoch scheint hoffnungslos, da auch Pavlelus und Anžetate feststellen müssen, dass sie eigentlich beide homosexuell sind. Als dann noch ein italienischer Offizierssohn aus Mailand dazustößt, gerät das Weltbild der gesamten Familie ins Wanken, worunter auch der Familienzusammenhalt leidet. Doch später akzeptieren die Protagonisten ihre Neigungen und werden Vorkämpfer für Schwulenrechte ... Mehr möchte ich aber noch nicht verraten an dieser Stelle.

KREMagazin: Das klingt nach typischem Däenisch-Stoff, herrlich! Aber warum dieses mal Lettland und Finnland? Und warum sind alle homosexuell?

Däenisch: Das kann ich auch nicht genau sagen, das war so ein ganz spezielles Gefühl, das ich hatte. Ich bin vor ca. vier Jahren nach sehr unruhigem Schlaf aufgewacht und dachte: „Finnland, da muss meine Geschichte spielen. Und aus Lettland muss meine Protagonisten-Familie kommen. Und homosexuell müssen sie sein, allesamt." Tja, so entsteht so etwas.

KREMagazin: Wenn man sich anschaut, wer bei dieser Produktion mitspielt, dann muss man wirklich staunen. Neben Fygh Mcfinnagagh und Cannie Connester spielt die italienische Nachwuchshoffnung und mehrfach ausgezeichnete Giatta Minganoro neben dem hoch gelobten Ørge Schwadsen. Und daß Sie dann noch den Luxemburger Ralf Jenais-Feauxdiere verpflichten konnten, ist wirklich Wahnsinn. Hat ein Prokopius Däenisch all diese Namen in seinem Adressbuch?

Däenisch: Sagen wir mal so: Nein, hat er nicht. Ich frage bei den Agenturen der Schauspieler an und dann wird gecastet. Am Ende muss es dann einfach sitzen. Nur für Ralf Jenais-Feauxdiere habe ich die Rolle tatsächlich direkt geschrieben. Hätte ich ihn nicht für die Rolle des Offizierssohns bekommen, hätte ich den Film so nicht gemacht.

KREMagazin: Sie haben ihren Film größtenteils in Albanien gedreht, warum?

Däenisch: Tja, ich bin nach wie vor davon überzeugt, daß bestimmte Teile Albaniens finnischer aussehen als bestimmte Teile Finnlands.

KREMagazin: Wie bitte?

Däenisch: Hören Sie doch zu! Wir haben sehr viele Außenszenen in Durrësi (Anm. d. Red.: Stadt an der Küste Albaniens) gedreht. Und Durrësi sieht einfach finnischer aus als große Teile Finnlands. Oulu z.B. sieht auch gar nicht finnisch aus. Aber wenn meine Geschichte in Finnland spielt, dann soll das auch erkennbar sein.

KREMagazin: Ich höre ja zu. Aber wäre nicht vielleicht einfach ein ganz anderer finnischer Ort oder auch ein schwedischer Ort als Location in Ordnung gewesen?

Däenisch: Nein!

KREMagazin: Und warum möchten Sie den albanischen Film am Boden sehen?

Däenisch: Das möchte ich doch gar nicht.

KREMagazin: Aber bei den Kollegen vom Nordfränkischen Generalanzeiger sagten Sie im Interview, ich zitiere wörtlich: “Der albanische Film? Den will ich am Boden sehen!”

Däenisch: Achso, nagut, das habe ich so gesagt, das ist wahr. In Albanien war es mir einfach zu heiß, das ertrage ich nicht. Ich will da wirklich nicht nochmal drehen.

KREMagazin: Und deshalb möchten Sie den albanischen Film am Boden sehen?

Däenisch: Ja, ist da was bei? Das sagt man doch so?!

KREMagazin: Mal ein kleiner Schwenk zu einem anderen Thema. Sie werden im Oktober 70. Haben sie schon etwas geplant?

Däenisch: Naja, ich bin ja nicht so der Geburtstagsmensch, aber meinen 70. werde ich wohl etwas größer feiern. Ich möchte so eine Art Sportwettkampf veranstalten, wo alle Gäste teilnehmen müssen, mir zu Ehren. Und der Gewinner bekommt 799 Euro, das ist angemessen, denke ich.

KREMagazin: Was für Disziplinen wird man erwarten können?

Däenisch: Zehnkampf, Tischtennis, rhythmische Sportgymnastik, eigentlich alles.

KREMagazin: Das klingt ja verrückt.

Däenisch: Naja, das sehe ich anders.

KREMagazin: Wird auch ihr alter Schauspielkollege Gerry Hartbrecht vorbeikommen? Mit dem haben Sie 1978 ja praktisch deutsch-deutsche Filmgeschichte geschrieben.

Däenisch: Jaja, der Gerry, der muss kommen, sonst wäre ich wirklich enttäuscht. Der hat aber ein steifes Bein, seit er zu den Drehabreiten von “Grangcoon II” in diesen überdimensionalen Tacker gefallen ist. Deshalb kann er nicht teilnehmen an dem Wettkampf. Er könnte aber zumindest Geräte aufbauen oder so...

KREMagazin: “Grangcoon II?”

Däenisch: Naja, dieser Film, wo riesige Schreibwaren versuchen ein Schreibwarengeschäft zu zerstören, um sich zu befreien. Sie wissen schon...

KREMagazin: Ist mir unbekannt. Aber egal. Sagen Sie, ich habe vor Kurzem einen Artikel gelesen, in dem stand, daß Sie in einem offenen Brief gefordert hätten, daß Zuschauerzahlen wieder überschlagsweise gezählt werden sollen. Warum fordern Sie das nach nunmehr 50 Jahren schon wieder, wo doch auf diese Weise erfasste Zahlen ungenau sind?

Däenisch: Herr Matereit, solche Forderungen werden immer Bestand haben. Denn sie sind logisch und konsequent. Wissen Sie, wie schnell sich Zuschauerzahlen ermitteln lassen, wenn man nur punktuell zählt und dann überschlägt?

KREMagazin: Sicher geht das schnell...

Däenisch: Aha! Da haben wir es!

KREMagazin: ...aber auf der anderen Seite ist es einfach sehr ungenau. Es ist doch logisch, dass exaktes Zählen genauer ist.

Däenisch: Aber Überschlagen geht schneller.

KREMagazin: Jaha . . . es ist trotzdem sinnlos.

Däenisch: Haben Sie noch eine Frage, ich würde sonst gehen.

KREMagazin: Eigentlich wollte ich Sie jetzt nur noch fragen wollen, was für die Zukunft geplant ist. Möchten Sie mir das noch erzählen?

Däenisch: Ich werde bald 70, da veranstalte ich einen Sportwettkampf mir zu Ehren und dann werde ich weiterhin im viereinhalbjahres Rhythmus Filme machen.

KREMagazin: Ich danke für das Gespräch.

Däenisch: Ja.


Das Gespräch führte Justus Matereit

Kommentare

Ralfh Wörgl hat gesagt…
Das erinnert mich an mich.
Ortlieb Fritsche hat gesagt…
Weshalb?
Ralfh Wörgl hat gesagt…
Weil ich früher auch Prokopius Däenisch war.
Ortlieb Fritsche hat gesagt…
Was reden Sie denn da?
Ralfh Wörgl hat gesagt…
Wenn ich es doch sage: Ich war Prokopius Däenisch. Ich habe das alles erlebt. Dann kam dieser Mann und hat meien Identität gestohlen.
Prokopius Däenisch hat gesagt…
Wenn ich dazu mal was sagen dürfte: Es stimmt, ich habe Herrn Wörgls Identität angenommen. Allerdings war das vor 58 Jahren, wir waren Sandkastenfreunde (damals spielte man mit 12 noch im Sandkasten), da entschieden wir aus einer "Sektlaune" (wir tranken dabei Sekt) heraus, die Identität zu tauschen. Dabei blieb es. Ich habe all die tollen Dinge selbst gemacht, weswegen ich heute berühmt bin, nur heiße ich anders. Allerdings habe ich nicht den bekloppten Namen "Ralfh Wörgl" (das istz ja schlimmer als albanische Namen), sondern ich heiße Häagen Subatt.
Ralfh Wörgl hat gesagt…
True story ...

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