Paul war furchtbar
aufgeregt. Sie waren in ein Dorf gefahren, in einen kleinen Ort, in
dem es tatsächlich noch keinen Supermarkt gab, dafür aber einen
Tante-Emma-Laden, in dem man alle Dinge, die man kaufen wollte, bei
der Verkäuferin ansagen mußte und die sie einem dann über den
Tresen reichte. Das war überhaupt nicht in Pauls Sinne. Er schätzte
die Anonymität der Großstadt, in der niemand erfuhr, was er kaufte
(außer der Kassiererin, aber das war ein ausreichend anonymes
Verhältnis, niemals sprachen sie einen auf die Waren an). Jetzt
würde er sich hinstellen müssen, seinen Kaufwunsch laut äußern,
womöglich in eine Diskussion eintreten müssen, z.B. wenn es etwas
nicht gab, das alles vor den anderen Käufern, die alles sehen und
hören konnten.
Es war nicht so, daß
Paul besondere Vorlieben gehabt hätte, die er gern verheimlichen
wollte. Er machte aber um seine Person ungern Gewese. Es ging ja auch
niemanden was an, was er kaufte!
Er ging zum dritten Mal
seine Einkaufsliste durch und versuchte dabei, alle möglichen
Konsequenzen vorweg zu nehmen.
Da war zunächst etwas
gegen Fußpilz. Wie schrecklich! Er war gerade hier angekommen, die
Menschen hatten ihn freundlich empfangen, auch weil er so getan
hatte, als sei er ganz normal und alles in Ordnung. Nun erfuhren sie,
daß er Fußpilz hatte! Welche Konsequenzen würde das haben? Sie
würden ihn wahrscheinlich nicht mehr in ihre Wohnungen lassen, es
war Sommer und er war nur in Sandalen unterwegs, es wollte sich ja
keiner die Keime ins Haus holen. Und sie würden ihn insgeheim
verurteilen für seine mangelnde Hygiene, aber sie würden sich
nichts anmerken lassen, und schon bald wüßte das ganze Dorf von
seiner körperlichen Besonderheit. Jedesmal, wenn er jemanden träfe,
würde die Begegnung zum Spießrutenlauf!
Das nächste war Käse.
Nicht ein normaler Gouda oder vielleicht Emmentaler, nein, er stand
total auf Tilsiter. Ja, Tilsiter, dessen Geruch bei manchen Menschen
den Wunsch hervorrief, sich in den Kühlschrank, in dem er lag, zu
übergeben, Tilsiter, die zu spät gefundene Leiche unter den
Käsesorten. Vielleicht konnte er sich ja auch mal mit etwas anderem
anfreunden, er konnte ja einfach mal Wurst essen. Mmh, da gab es doch
diese Schinkenknacker! Die konnte er stattdessen kaufen! Wobei, er
war ja nun auch nicht der Dünnste, und wenn er sich das
fetthaltigste Wurstprodukt aussuchte, das es gab, würde die
Verkäuferin zu Recht denken, daß er sich ja gleich mit einer
Spritze Schweinefett injizieren könne, diese fette Sau, was bildet
die sich eigentlich ein, das würde die Verkäuferin denken, und wir
müssen dann seine Behandlungskosten bezahlen, na schönen Dank auch!
Wahrscheinlich würde sie ihm die Wurst schlicht nicht verkaufen!
Das nächste war eine
Flasche Champagner und/oder gute Pralinen, für die Geburtstagsfeier
seiner Freundin, sie waren hierher gefahren, weil sie es sich
gewünscht hatte. Na, das ist mal wieder typisch, der Großstadtsnob,
kann es vielleicht noch ein Cabrio dazu sein? Bildet der sich etwa
ein, daß wir hier seine Sklaven sind, die armen, dummen Bauern, die
dem Gutsherren ihre besten Güter feilbieten? Weil wir ja auch so auf
Almosen angewiesen sind, wir sind ja so arme, dumme Bauern!
Paul merkte, wie ihm der
Schweiß den Rücken herunterlief. Es half nichts, er mußte die
Sachen kaufen, das wäre ja auch gelacht, wenn er das nicht hinbekam.
Der Laden war leer, als
er eintrat. Durch das Öffnen der Tür wurde ein Mechanismus
ausgelöst, der eine Glocke ertönen ließ.
„Hallo, Sie wünschen?“,
sagte eine Stimme aus dem Nebenraum. Im nächsten Moment trat eine
junge, hübsche Verkäuferin in den Verkaufsraum. Auch das noch,
dachte Paul.
„Hallo! Ich bin neu
hier ...“, versuchte Paul unverfänglich auf seine mangelnde
Vertrautheit auf das System Fremdbedienungsladen hinzuweisen. „Kein
Problem!“, strahlte ihn die Verkäuferin an. „Ja, also, mein …
e Freundin hat … also eine Freundin, nicht meine Freundin … hat …
Fußpilz, und da ...“ Ohne zu zögern ging die Verkäuferin zu
einer Kommode und nahm eine Salbe heraus. „Haben Sie ein Glück,
das haben wir sonst nicht im Sortiment! Sie sind ja fürsorglich, daß
sie Ihrer Freundin eine Fußpilzsalbe kaufen!“ Während sie das
sagte, blitzten ihre Augen ihn freundlich an. Sie hat meine Lüge
durchschaut, durchfuhr es ihn, oh je, ich bin entlarvt als dreister
Lügner. Was soll sie nur von mir denken? Jetzt muß ich auf jeden
Fall die Wurst kaufen, dabei ist meine Freundin Vegetarierin. „Dann
brauche ich noch Wurst, eine … mit wenig Fett, bitte!“ „Hmm,
wir haben nur noch die Schinkenknacker, die sind auch sehr lecker,
wollen Sie die nicht mal probieren?“ Ob das eine Fangfrage war?
Ihre Augen blitzten schon wieder. „Nein, ich nehme Käse.“ „Da
haben wir Büffelmozzarella und Tilsiter.“ - „Tilsiter, das ist
doch der, der immer so stinkt, oder?“, versuchte Paul die
Verkäuferin zu testen. „Also ich mag ihn ganz gern“, strahlte
sie ihn an, „aber dann nehmen Sie vielleicht besser den Mozzarella.
Der ist absolut geschmacksneutral!“ „Das ist … toll“, log
Paul. Zu guter letzt brauchte er noch den Champagner. Er hatte auch
schon eine Flasche im Regal liegen sehen. „Erinnern Sie sich noch
an die Freundin, die Fußpilz hat?“ Paul versuchte, der Geschichte
mit der Freundin mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen. „Hmh“,
meinte die Verkäuferin knapp. „Ja, die hat heute Geburtstag, und
darum schenke ich ihr ja auch die Salbe, denn … die hat sie sich
gewünscht! Aber weil eine Salbe allein ja etwas langweilig ist,
dachte ich, also, weil sie doch so ein schweres Los hat, mit ihrem
Fußpilz, da dachte ich, zur Feier des Tages, da gönnen wir uns was,
da nehmen wir mal einen Champagner!“ Sofort ging die Frau zum
Regal, nahm die Flasche und stellte sie auf den Tresen. „Ist die in
Ordnung?“, fragte sie freundlich, „wir haben leider nur die eine
Marke da.“ „Das ist doch nicht schlimm, dafür brauchen Sie sich
gar nicht zu rechtfertigen! Ich kenne mich ja gar nicht mit
Champagner aus, aber diese Flasche sieht einfach toll aus! Sie
brauchen nicht zu denken, daß ich jeden Tag Champagner kaufe, nur
halt heute wegen dieses … besonderen Anlasses.“ Die Verkäuferin
nickte freundlich, dann ging sie zur Kasse und gab die Preise ein.
„Macht neunzehn Mark zwanzig, bitte!“ Paul zahlte und ging.
Draußen auf der Straße spielte ein Mädchen im Sand. Es sah Paul
ernst ins Gesicht und sagte: „Das spielt sich alles nur in deinem
Kopf ab!“ Dann ging es langsam seines Weges.
Kommentare
Ich stecke mit meiner linken Hand in so einem komischen Ding fest. Ich glaube, dass es sich bei dem "komischen Ding" um eine Monsterfalle handelt. Ich sitze damit Löcken- Ecke Pasewacklerstr. Es eilt jetzt nicht so sehr arg aber innerhaöb der nächsten Woche wäre schon gut. Man erkennt mich übrigens an der besagten Monsterfalle und einer blutroten Jackenmütze. Das ist eine Jacke, die direkt zu einer basecap wird. Cool oder? Ich warte.
Liebe Grüße, Hannes
Grüße, Eberhard
Die Redaktion Nicht DERKREM
Für DERKREM? Nicht!, Bernd Stullwittzer
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