Sie trafen sich im Wartesaal eines Krankenhauses. Ihnen gemein war, daß sie alle Angehörige hatten, die gerade nicht besucht werden konnten, weil sie
a) eine Operation hatten oder
b) gefüttert/gewaschen wurden.
Als sie eine Weile gewartet hatten,
begannen sie ein Gespräch, denn was gab es anderes zu tun? Sie
stellten sich einander als Helmut, Richard, Berthold, Ines und Monika
vor.
Helmut erzählte, er sei Zugbegleiter.
Richard erwies sich als Pfarrer, Berthold war in der Werbung, Ines
gab als Beruf Ärztin an und Monika arbeitete als Lehrerin. Zwischen
ihnen entspann sich ein lebhaftes Gespräch. Lauschen wir mal!
Helmut: Ja, das Zugleben ist auch nicht
ohne. Da hat man manchmal Kandidaten, sage ich euch …
Berthold: Wie meinst du das,
Kandidaten?
Helmut: Na, Fahrgäste halt. Da kommt
man sich manchmal vor wie ein Löwendompteur. Vor allem nach
Fußballspielen. Ich könnte Geschichten erzählen …
Richard: Ja, wenn man mit Menschen zu
tun hat, ergeben sich immer erheiternde Geschichten. Davon kann ich
ein Lied singen.
Ines: Arbeit mit Menschen macht Spaß!
Aber es ist immer schlimm, wenn man eine schlechte Diagnose stellen
muß. Ein Teil von mir stirbt dann immer.
Monika: Ja, ich arbeite auch mit
Menschen, also mit Kindern. Na, da haben wir ja was gemeinsam.
Berthold: Ich arbeite nicht mit
Menschen, sitze den ganzen Tag am Computer. Manchmal habe ich
Meetings, dann muß ich meine Projekte vorstellen, da sehe ich dann
andere Menschen, das war's aber.
Helmut: Hm … Tja, aber wir anderen
kennen so unsere Pappenheimer, nicht?
Berthold: Wie meinst du das?
Helmut: Na, unsere Kandidaten. Die
Menschen.
Richard: Ich muß euch sagen, als ich
meine erste Beerdigung hatte, da war ich dermaßen aufgeregt, daß
ich die Bibelstelle vergessen habe, die ich am Grab sagen wollte.
Monika: Oh nein, und was hast du dann
gemacht?
Richard: Naja, ich habe mir eine
Bibelstelle ausgedacht, die dem Sinn nach ähnlich war. Ich weiß sie
noch heute: „Christus spricht: Seid nett zueinander, sonst werde
ich böse!“ Es war mir so peinlich, aber was sollte ich tun? Die
Trauergemeinde hat nichts gemerkt. Seitdem habe ich schon sehr oft
Bibelstellen erfunden, ja, ganze Bücher. Zum Beispiel das Buch
Helmut …
Helmut: Ist ja witzig!
Richard: … oder die Geschichte von
den Engeln, die sich in Maikäfer verwandeln. Am Anfang brauchte ich
einfach passende Stellen zu meinen Predigten, später ist dann meine
kreative Ader mit mir durchgegangen!
Alle schauen gespannt zu Berthold,
der ja „Kreativer“ ist, ob ihm dazu was einfällt, aber der guckt
nur verlegen zu Boden.
Monika: Naja, um
ehrlich zu sein, bleibe ich auch nicht immer ganz bei der Wahrheit.
Meine Schüler sind sehr neugierig, aber seit es Wikipedia gibt, auch
einfach sehr schlau, das muß man schon sagen. Wenn mir dann die
Fakten ausgehen, greife ich zu anderen Methoden.
Helmut: Jetzt bin
ich aber gespannt!
Monika: Ja, also,
da ist so ein Vorlauter, der weiß ehrlich gesagt mehr als ich. Wenn
er mir besonders keck kommt, dann ziehe ich seine Aussage in Zweifel
und erzähle was vom Pferd.
Berthold: Vom
Pferd? Wieso vom Pferd?
Monika: Also, ich
lüge! Neulich meinte er zum Beispiel, daß die Hauptstadt von Brunei
Bandar Seri Begawan ist. Ich entgegnete, daß das Land, daß er
wahrscheinlich meine, Bilomat heiße und seine Hauptstadt sei Mannda
Rine Megawan. Schade, daß ich nicht dabei sein konnte, als er das
seinen Eltern erzählte. Aber am einfachsten ist es in Mathe. Man
vergißt ja mit der Zeit die ganzen mathematischen Sätze. Macht
nichts, ich habe schon unzählige neu erfunden, einen sogar nach mir
benannt: Auf eine gerade Zahl folgt immer eine ungerade, Satz von
Remlinger.
Helmut:
Beeindruckend. Da komme ich mir mit meinen Betrügereien ja fast wie
ein Anfänger vor.
Ines: Was machst du
denn?
Helmut: Naja,
anfangs habe ich immer nur einfach, wenn der Zug mal wieder
Verspätung hatte, vor einem wichtigen Umsteigebahnhof behauptet, daß
alle Anschlußzüge erreicht werden können. Das wäre richtig
gewesen, wenn ich hinzugefügt hätte, ,wenn Sie durch die Zeit
reisen können', das diente mir als Rechtfertigung. Später, als sich
die Routine eingestellt hatte, begann ich dann, Sachen zu erfinden.
Richard: Zum
Beispiel?
Helmut: Zum
Beispiel Ortsnamen. Ich bin in Brandenburg unterwegs, da gab es dann
plötzlich Legow, Rambow – das gibt’s wirklich, habe ich später
erfahren – oder auch einfach Moskau.
Richard: Moskau?
Helmut: Kann doch
sein, daß so ein Kaff einfach mal Moskau heißt. Es hat nie jemand
gemerkt, soweit ich weiß, da steigen eh nie Leute aus. Ich habe dann
auch Umsteigebahnhöfe erfunden, das war lustig, mitten in der Pampa.
Ich weiß noch, einmal habe ich Kerosien angesagt (hatte ich mir auch ausgedacht) mit Anschluß nach Paris und New York (Uckermark) auf
Gleis 30 und 31. Dabei gab es nur zwei Gleise. Hihi!
Ines: Bescheuert,
aber gut. Ich bin wohl die Schlimmste von euch allen.
Monika: Waas? Echt?
Ines: Ja, ich bin
nämlich gar keine Ärztin!
Alle sind sprachlos (bis auf Ines).
Ines: Ja, also, ich
habe mein Medizinstudium nicht abgeschlossen, aber wollte gern
Menschen helfen.
Richard: Was heißt
,nicht abgeschlossen'?
Ines: Erstes
Semester.
Helmut: Oh.
Ines: Ja, und dann
habe ich halt Papiere anfertigen lassen, die besagen, ich sei
Diplom-Kardiologin und mehrfach prämierte Forscherin auf dem Gebiet
der … ähm, habe ich gerade vergessen. Naja, am ersten Tag, das
weiß ich noch, kam ein Mädchen zu mir und fragte, ob es stimme, was
sie gehört habe, daß Handys in der Hosentasche krank machen. Ich
sagte ,Ja!', und sie wollte wissen, was man denn dann bekomme. "Taschenkrebs", meinte ich, und sie bekam es mit der Angst zu tun. Von
dem Moment an wußte ich, es war die richtige Entscheidung.
Helmut: Aber … du
hast doch keine Ahnung! Was, wenn du mal jemanden am Herzen operieren
mußt?
Ines: Bisher konnte
ich mich immer erfolgreich davor drücken.
Helmut: Ach so …
Monika: Einen haben
wir vergessen!
Alle blicken Berthold an.
Richard: Die
Werbung ist ja bekannt für ihre eigenwillige Interpretation der
Wahrheit. Was hast du auf dem Kerbholz?
Berthold:
Eigentlich nichts!
Helmut: Nichts?
Berthold: Nein. Ihr
habt recht, in der Werbung wird gelogen, übertrieben, einseitig
berichtet, aber das ist nicht mein Ding. Ich bin der Meinung, ehrlich
währt am längsten!
Monika: Aha …
Berthold: Ich habe
zum Beispiel für einen Joghurt einen Slogan gemacht: „Schmeckt
nicht schlechter als andere!“ Aber das hat meinen Chef nicht so
überzeugt, er schlug vor: „100 % Frische-Genuß!“ Das fand ich
sehr unglaubwürdig, 100 %, das ist ganz schön viel. Also habe wir
uns auf „80 % Frische-Genuß“ geeinigt.
Helmut: Ja, stimmt,
den Joghurt habe ich gestern im Supermarkt gesehen.
Berthold: und, wie
hat er dir geschmeckt?
Helmut: Ich habe
ihn nicht gekauft.
Berthold: Oh …
Eine Durchsage ertönt: Dr.
Zurkowski in den OP-Saal 3!
Ines: Oh, ich muß
gehen. War nett, euch kennenzulernen.
Alle schauen ihr entsetzt hinterher.
Kommentare
Beste GRÜßE, Lutz Mantz
KREM: WEITER SO
Lange Tapeten und verknotete Hände ringen um Glaubwürdigkeit! Auf einmal kommt der Gruße Genuss. Und dann? "Hinten die Tür frei machen! Ich kann auch bis übermorgen hier stehen! Ich muss nicht um 8 in der Schule sein!"
Was für eine Säule bist du denn, wenn man fragen darf? Ich bin eine so genannte "Hartungsche Säule", kennste nicht? Kein Problem, check einfach diesen Wiki-Artikel über mich aus, da wird eigentlich alles gesagt:
http://de.wikipedia.org/wiki/Hartungsche_S%C3%A4ule
Aber weißt du, meine Art schwindet, weil wir alle nach und nach abgebaut und entsorgt werden. Ich lager zurzeit auch nur in so einer Lagerhalle und gammle vor mich hin :-( Ich kauf mir aber bald ein Auto und dann mach ich euch alle platt!!!!!!!
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