Die Ultrabahn – nächster Halt:
Fortschritt?
Werte Leserschaft, ich möchte Ihnen
heute ein neues Buch zu Gemüte führen. Es handelt sich um eine
Science-Fiction-Novelle des namhaften Philosophen und Soziologen
Kiter Verbel, der hier mit den Ängsten der Menschen vor Fremdem und
aber auch mit der Eisenbahn spielt. Zunächst möchte Ihnen eine
Inhaltsangabe angedeihen lassen:
Wir schreiben das
Jahr 2015. Die neueste Errungenschaft der Zivilisation ist die so
genannte Ultrabahn.
Dabei fährt ein Zug fast nur durch Erdanziehungskraft angetrieben. Eine Route führt von einer Großstadt wie Berlin nach New York. Dabei nutzt er den wirklich kürzesten Weg mitten durch die Erde. Da dadurch der Zug fällt, ist kaum Antrieb nötig. Nach der Hälfte der Fahrt beginnt der Zug, zu steigen. Theoretisch muß er deshalb genau mit seiner Anfangsgeschwindigkeit wieder in der anderen Stadt ankommen. Wegen der Luft- und Schienenreibung funktioniert dies aber in der Praxis nicht. Deshalb fahren die Loks elektrisch: Sie werden jeweils vor der Fahrt aufgeladen, die Energie reicht ca. für zwanzig Stunden. Der Vorteil ist, daß die Reisezeiten erheblich sinken und die Umwelt viel weniger belastet wird. Der Nachteil ist, daß man nur zu weit entfernten Städten reisen kann und dann umsteigen muß, da sonst die Erdanziehungskräfte zu schwach sind, um etwas zu bewirken. Zum Beispiel ist eine Reise von Berlin nach London nicht möglich. Man muß in diesem Fall erst nach beispielsweise Peking fliegen und dann von dort aus nach London. Außerdem sind die Tunnel sehr teuer und erfordern völlig neue Werkzeuggenerationen (der Preis für die Fertigstellung einer Röhre von mittlerer Länge kostet geschätzt 430 Mrd. €). Denn es sind nicht nur extrem lange Tunnel zu bohren, sondern sie müssen wirksam hitzeisoliert werden (Siehe Grafik).
Dabei fährt ein Zug fast nur durch Erdanziehungskraft angetrieben. Eine Route führt von einer Großstadt wie Berlin nach New York. Dabei nutzt er den wirklich kürzesten Weg mitten durch die Erde. Da dadurch der Zug fällt, ist kaum Antrieb nötig. Nach der Hälfte der Fahrt beginnt der Zug, zu steigen. Theoretisch muß er deshalb genau mit seiner Anfangsgeschwindigkeit wieder in der anderen Stadt ankommen. Wegen der Luft- und Schienenreibung funktioniert dies aber in der Praxis nicht. Deshalb fahren die Loks elektrisch: Sie werden jeweils vor der Fahrt aufgeladen, die Energie reicht ca. für zwanzig Stunden. Der Vorteil ist, daß die Reisezeiten erheblich sinken und die Umwelt viel weniger belastet wird. Der Nachteil ist, daß man nur zu weit entfernten Städten reisen kann und dann umsteigen muß, da sonst die Erdanziehungskräfte zu schwach sind, um etwas zu bewirken. Zum Beispiel ist eine Reise von Berlin nach London nicht möglich. Man muß in diesem Fall erst nach beispielsweise Peking fliegen und dann von dort aus nach London. Außerdem sind die Tunnel sehr teuer und erfordern völlig neue Werkzeuggenerationen (der Preis für die Fertigstellung einer Röhre von mittlerer Länge kostet geschätzt 430 Mrd. €). Denn es sind nicht nur extrem lange Tunnel zu bohren, sondern sie müssen wirksam hitzeisoliert werden (Siehe Grafik).
Doch auf der Probefahrt Berlin–New
York passiert das Unfaßbare: Statt wie geplant angezogen und
abgestoßen zu werden, wird der Zug von unten angezogen und bleibt
stehen. Als die Lok weiterfahren soll, fällt der Motor, bedingt
durch magnetische Strahlung, aus. Grund ist ein theoretischer Fehler:
Wenn ein Zug quer durch die Erde fährt, fällt er die Hälfte des
Weges, die zweite Hälfte steigt er, bedingt durch die Schwerkraft.
Die mit der Entwicklung der Ultrabahn betrauten Techniker –
hochgradige Physiker (Berkeley, Harvard, Oxford) – berechneten für
die von der Idealroute abweichenden Linienführungen – wie etwa
Berlin–New York – eine am Anfang (für den benötigten
„Anschwung“) und am Ende anfallende zusätzliche Antriebsquelle.
Nun ist aber nicht nur die Anziehungskraft wesentlich kleiner, wenn
man nicht direkt durch die Erdkern fährt, sondern er zieht den Zug
bei Erreichen des Wendepunktes auch zusätzlich nach unten. Die
Konsequenz: Die Passagiere geraten in Panik und fangen nach kurzer
Zeit an, sich totzuschlagen.
Verbel ist ein
brillanter Beobachter: Er betrachtet die Personen, wie sie, zunächst
ganz zivilisiert, überlegen, welche Optionen sie noch haben. Nachdem
sie richtigerweise festgestellt haben, daß sie keinerlei Optionen
haben, geht das Gemetzel los (beginnt das grausame Ende). Hier nimmt
der promovierte Optimist kein Blatt vor den Mund: Dezidiert
beschreibt er grausame Mordszenen und hält gleichzeitig mit den
Motiven hinterm Berg. Diese berüchtigte Verbelsche Unklarheit zieht
sich durch alle seine Werke, man denke an „Frauke im Moor – ich
sehe was, was du nicht siehst“ oder „Die Zäune an der Weide:
eine sozialwissenschaftliche Studie“. Diesmal hat der Denk-Experte
aber für ihn neuartiges Terrain betreten, nämlich das der
Wissenschaftsfiktion. Gekonnt umschifft er stilbildende Merkmale
ebenso wie Spannungsbögen und fällt gleich im ersten Satz mit der
Tür ins Haus: „Acht Männer, einer jung, die anderen alt, machen
sich auf eine Reise ohne Wiederkehr, weil sie mitten in dem Tunnel,
durch den sie fahren, steckenbleiben, nicht gerettet werden und sich
in der Folge aus Verzweiflung umbringen.“, um dann nicht ohne
Ironie dem Leser „viel Spaß und Spannung“ zu wünschen.
Der Alleswisser hat sich mit diesem
Buch einen lange gehegten Traum erfüllt. Schon in seinem ersten Buch
von 1967 schrieb er: „Mein Buch über eine Ultrabahn, die durch den
Erdkern fährt, bei deren dritter Fahrt Leute steckenbleiben und sich
infolgedessen umbringen, ist leider noch nicht ganz fertig. Bitte
nehmen sie derweil mit diesem (nicht so guten) Buch vorlieb! Ich
wünsche Ihnen viel Spaß und Spannung beim Lesen!“
Ähnlich wie Huxleys „Schöne neue
Welt“ oder Wells' „1984“, ist „Die Ultrabahn – nächster
Halt: Fortschritt?“ ein Werk, das seiner Zeit vorausgeht. Denn was
die Qualität dieses Buches ausmacht, ist gar nicht so sehr der
völlig unrealistische Plot, sondern die Idee, die Verbel hier
gekonnt verpackt. Auf der einen Seite der Mensch, ein von Instinkten
getriebenes, egoistisches Individuum und auf der anderen Seite die
Ultrabahn, eine futuristische, sinnlose Erfindung, die nicht
funktioniert. Dieser seit Jahrhunderten immer wieder literarisch
aufgearbeitete Grundkonflikt, der schon aus sich heraus pures
Eskalationspotential bietet, wird bei Verbel geradezu bewundernswert
gelöst. Ich denke, nur ein weiteres Zitat aus diesem hervorragenden
Buch kann hier einen angemessenen Schluss bilden. (Der Erfinder der
Ultrabahn, Ralf Cannah, zu einem Fahrgast): „Was die Ultrabahn ist?
Die Ultrabahn ist kein gewöhnlicher Zug, die Ultrabahn ist ein Zug,
der besonders schnell fahren kann und deshalb länger bremsen muss
als andere Züge. Gestern sind wir noch auf der Erde gefahren, heute
fahren wir schon durch die Erde. Jetzt fährt die Ultrabahn los.
Halten Sie sich fest, nächster Halt: Fortschritt!“
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel
Spaß und Spannung beim Lesen!
Kiter Verbel: Ultrabahn – nächster
Halt: Fortschritt, Buntschroeter Verlag, 286 S., farbige Abbildungen,
29,95 €, erhältlich u.a. bei Fecher & Kron, Darmstadt
Kommentare
Einen angenehmen Abend wünscht
gez.: U l l s t e i n
Sie glauben doch hoffentlich nicht, daß mich Ihre Antwort überzeugt? Im Gegenteil, sie wirft eher Fragen auf, als daß sie im Stande wäre, sie zu beantworten. Weshalb müüssen sie sich in einem fort nebulös halten? Allein den Begriff "neben der Welt" hätten Ihnen zu Schulzeiten sowohl Ihr Deutsch- als auch Ihr Physiklehrer um die Ohren gehauen. Darf Kunst denn alles? Werden Sie jemals imstande sein, sich aus Ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit zu befreien?
Hochachtungsvoll
U l l s t e i n
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